Kranzniederlegung in Plötzensee

Dr. Jörg Hillmann
Kapitän zur See und Kommandeur des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Potsdam


Rede bei der Kranzniederlegung in Berlin-Plötzensee anlässlich des 75. Todestages von Korvettenkapitän Alfred Kranzfelder und Marineoberstabsrichter Berthold Schenk Graf von Stauffenberg am 10. August 2019


Grafen von Stauffenberg, Herr Admiral,
meine sehr geehrten Damen und Herren,


Wir gedenken:
Korvettenkapitän Alfred Kranzfelder, geboren am 10. Februar 1908 in Kempten im Allgäu.


Wir gedenken:
Marineoberstabsrichter Berthold Schenk Graf von Stauffenberg, geboren am 15. März 1905 in Stuttgart.


Beide starben genau hier vor 75 Jahren am 10. August 1944 gemeinsam mit Oberleutnant der Reserve Dietlof von der Schulenburg an diesem Balken. Zuvor waren sie in einem Schauprozess von dem sogenannten Volksgerichtshof zum Tode aufgrund Ihrer Mittäterschaft am Attentasversuch am 20. Juli verurteilt worden.


Alfred Kranzfelders frühe Jugend war von den Ereignissen des Ersten Weltkrieges geprägt. Er fühlte sich dann der bündischen Jugend verbunden, die aus den Pfadfinder- und Wandervogelorganisationen nach dem Ersten Weltkrieg hervorgegangen war und sich auf alte Werte wie Freundschaft, Ritterlichkeit und Pflichterfüllung konzentrierte.


Kranzfelder machte sein Abitur am Humanistischen Gymnasium in Kempten im März 1927 und trat neunzehnjährig bereits am 4. April 1927 als Offizieranwärter in die Reichsmarine ein. Aufgrund des frühen Todes seines Vaters und der damit verbundenen familiären knappen finanziellen Verhältnisse schloss sich für ihn – er hatte noch drei Geschwister – eine wissenschaftliche oder auch künstlerische Tätigkeit, der er sich mehr zugeneigt sah, aus. Dennoch trat er mit Begeisterung in die Reichsmarine ein, da sich ihm so Möglichkeiten boten, auf längeren Seereisen die „große Welt“ mit ihren fremden Kulturen kennen zu lernen. Kulturinteresse, vielleicht auch ein vorsichtiger Hang zur Abenteuerlust, mögen demnach neben den wirtschaftlichen Verhältnissen ursächliche Beweggründe für Kranzfelder gewesen sein, in die Marine einzutreten. Während der Kadetten- und Fähnrichsausbildung an der Marineschule Mürwik qualifizierte er sich zum Lehrgangsbesten und wurde so auch Crewältester der Crew 27. Also nicht das Lebensalter bestimmte den Crewältesten, sondern die Leistung.


Die anschließenden Land- und Bordverwendungen führten ihn u.a. als Lehrer an die Schiffsartillerieschule nach Kiel.


An Bord des Panzerschiffes Admiral Scheer nahm er am Spanischen Bürgerkrieg teil und wurde am 1. Oktober 1936 zum Kapitänleutnant befördert. Krankheitsbedingt wurde er 1940 borddienstuntauglich. Seit dem 29. Februar 1940 verrichtete er seinen Dienst in der Operationsabteilung der Seekriegsleitung und befasste sich mit Fragen des Völkerrechts und der Politik. Er wurde hervorragend beurteilt und am 1. September 1941 zum Korvettenkapitän befördert.


Ein kurzes Charakterbild beschreibt Kranzfelder wie folgt: „Kranzfelder war ein hervorragender Offizier, der Typus des intellektuellen Generalstabskapitäns mit mathematisch-wissenschaftlichen Interessen und Fähigkeiten. Er war stark bayrisch-katholisch eingestellt, persönlich außerordentlich geschickt und ohne Furcht.“


Die Aufgabe in den Referaten für Völkerrecht und Politik brachte es mit sich, dass die Angehörigen dieser Referate, neben den Seeoffizieren zumeist Juristen und Völkerrechtler, genaue unzensierte Einblicke in die politisch-militärische Lage des Seekrieges im Besonderen, aber auch des Gesamtkriegsverlaufs im Allgemeinen erhielten. Hierzu gehörten auch Berichte über Massenerschießungen hinter der Front.


Dienstlich lernte er Berthold Schenk Graf von Stauffenberg kennen, der als Marineoberstabsrichter in diesem Referat arbeitete. Sie freundeten sich an und vertrauten sich. Kranzfelder bekam über seinen Freund Berthold Zugang zum Widerstand. Dies geschah im Herbst 1943. Kranzfelder erhielt tiefe Einblicke in die Planungen der Operation Walküre, am Umsturzversuch sollte er aktiv in der Befehlsstelle Koralle beteiligt sein.


Berthold Schenk Graf von Stauffenberg studierte Rechtswissenschaften in Heidelberg, Jena, Tübingen, Berlin und München. Er wurde an der Universität Tübingen promoviert.


Er war als Völkerrechtler von 1931 bis 1933 am Haager Gerichtshof eingesetzt und seit 1935 als Mitglied des „Studienausschusses Kriegsrecht“ mit der Wehrmacht in Berührung gekommen. Zudem spezialisierte er sich am Oberprisenhof auf das Seekriegsrecht.


Seit 1936 war er Mitglied des „Ausschusses für Völkerrecht der Akademie für Deutsches Recht“.


Mit Kriegsbeginn wurde er als Intendanturrat dienstverpflichtet und wechselte in die juristische Laufbahn der Marine. Eingesetzt wurde er dann in der Seekriegsleitung im referat für Völkerrecht. Bereits früh hatte Berthold Kontakte zu den regimekritischen Juristen Helmut James Graf von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg.


Diese und andere Kontakte machen Berthold zu einer eigenständigen Persönlichkeit im Widerstand gegen Hitler. Er war nicht nur der Bruder des Attentäters Claus Schenk Graf von Stauffenberg.


Nach dem gescheiterten Attentat wurde Berthold von Stauffenberg verhaftet und inhaftiert. Nähere Untersuchungen seines persönlichen Umfeldes führten rasch zu Kranzfelder.


Beide Offiziere handelten aus ethisch moralischen Gründen.


Beide Offiziere waren von der Unrechtmäßigkeit des Krieges an sich, den das Deutsche Reich begonnen hatte, ebenso überzeugt wie von der Unrechtmäßigkeit der Art der Kriegführung.


Beide lehnten insbesondere die Rassepolitik des Deutschen Reiches ab.


Beide standen für Ihre Überzeugung – beide zahlten diese Überzeugung mit Ihrem Leben.


Berthold Schenk Graf von Stauffenberg hinterließ Frau und zwei Kinder, Alfred Kranzfelder seine Verlobte.


 


 


 


 


 


 

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