Mein Vater Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg

Der Publizist Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg pflegt seit 1939 Kontakte zu Vertretern des konservativen Widerstands. Im April 1945 wird er nach neun Monaten Haft von einem Sonderkommando des Reichsicherheitshauptamtes ermordet. Seine Tochter Maria Theodora Freifrau von dem Bottlenberg-Landsberg blickt auf ihre frühen Erinnerungen an den Vater zurück und erzählt, was sie am meisten beeindruckt und damit wohl auch geprägt hat:

„Wir waren - um es mit dem Schriftsteller Alexander Mitscherlich auszudrücken - eine vaterlose Gesellschaft, denn viele Angehörige meiner Generation wuchsen, „dank“ des Zweiten Weltkriegs, ohne ihre Väter auf, waren diese nun im Kampf für oder gegen das Hitlerregime ums Leben gekommen. Vielen von uns wurden diese Väter, oft zu Helden stilisiert, nur in Bildern, die andere entwarfen, übermittelt.

Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg, 1942
Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg, 1942 © Privatbesitz

Ich persönlich habe das Glück, diesen Vater noch gekannt, eine bleibende, liebevolle Erinnerung an ihn bewahrt zu haben. Als ich in das entsprechende Alter kam, in dem sich Widerspruch regt, war er nicht mehr am Leben. Vorsichtige Versuche als Jugendliche, mich über ihn bei seinen Freunden und Verwandten zu informieren, wurden eigentlich immer im Sinne von de mortuis nihil nisi bene beantwortet, also durchweg positiv. Ich hätte das Bild allerdings - und darin durchaus von ihr unterstützt - durch kritische Fragen an meine Mutter ergänzen können. Das unterblieb einfach aus dem Grund, dass ich selbst diesen Vater nicht infrage stellte.

Der oft als Kinderbuch verkannte Satireroman Gullivers Reisen von Jonathan Swift (Jonathan Swift: Gullivers Reisen, Erstveröffentlichung in England 1726) enthält unter den Abenteuern des Reisenden zwei Berichte über seine Gefangennahme einmal im Reich der Zwerge und ein andermal in dem der Riesen. Er findet sich einmal mit zahlreichen feinen Fäden bzw. mit einigen dicken Stricken fest an den Boden gefesselt. Unter großen Anstrengungen und nicht ohne Schmerzen gelingt es ihm allerdings, sich in beiden Fällen loszureißen und aufzustehen. Dieses literarische Bild steht für mich für den Prozess des Lösens aus den im Laufe der Kindheit sowohl in Liebe als auch in Strenge vermittelten Bindungen, die das Erwachsenwerden, das Selbst-Verantwortung-Übernehmen, einleitet. Bisher unhinterfragte Traditionen, denn das sind diese Stricke, sollten nun überprüft und entweder erneut übernommen oder abgelehnt werden. Sind die Bindungen besonders stark, kann sich dieser Prozess das ganze Leben über hinziehen.

Wenn ich gefragt werde, was mir an Prägung durch meinen Vater am stärksten in Erinnerung geblieben ist, so kann ich dies zum Einen am besten an einem Gegenstand festmachen. Mein Vater, Jahrgang 1902, war ein Romantiker und in seinen Vorstellungen tief im 19.Jahrhundert verwurzelt. Der Historismus dieser Zeit dürfte auch seinen Blick auf das Mittelalter bestimmt haben. Er kaufte seinem Bruder die Salzburg in Franken ab und baute die Ruine aus der Stauferzeit zu unserem Zuhause aus. Damit erfüllte er sich einen Wunsch aus Kindertagen und noch im Gefängnis besaß er ein Foto dieser Burganlage bei Bad Neustadt/Saale.

Die Salzburg bei Neustadt an der Saale
Die Salzburg bei Neustadt an der Saale © Privatbesitz

Schon sehr früh pflegte mein Vater, wenn er nicht auf Reisen war, sich am Nachmittag die eine oder andere Stunde intensiv mit meiner Schwester und mir zu beschäftigen. Zunächst diente als Spielzeug ein Zoo aus Papiermacheé mit unzähligen Tieren, der wohl noch aus seiner Kinderzeit stammte. Relativ früh löste dann der gewaltige Bildband Bildersaal Deutscher Geschichte (Adolf Bär: Bildersaal Deutscher Geschichte, Stuttgart/Berlin/Leipzig 1890) dieses Spielzeug ab. Anhand der Reproduktionen von historischen Bildern und Gemälden aus dem 19. Jahrhundert führte unser Vater uns in die deutsche Geschichte ein. Auch dieses Buch dürfte aus der Kinder- und Jugendzeit meines Vaters stammen und hat wahrscheinlich auf sein Bild von Deutschland einen großen Einfluss ausgeübt. Es war ganz geprägt vom nationalen Triumphgefühl der Reichsgründung von 1870 und von den Vorstellungen des 19. Jahrhunderts über die historische Größe und Bedeutung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Wenn es auch nicht explizit ausgesprochen wurde und der Einstellung meines Vaters zu anderen Nationen nicht gerecht würde, so lag natürlich in dieser Form der Darstellung durchaus die Gefahr, dass sich daraus der Anspruch „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ entwickeln konnte.

Erstkommunion von Maria Theodora (5. von links) und Elisabeth Charlotte (6. von links) von und zu Guttenberg
Erstkommunion von Maria Theodora (5. von links) und Elisabeth Charlotte (6. von links) von und zu Guttenberg © Privatbesitz

Ich liebte diese Stunden mit meinem Vater und dem von ihm geschätzten Buch, das sicher nicht wenig dazu beitrug, schon damals mein Interesse an Geschichte zu wecken. Aus eigener Erfahrung als Mutter weiß ich, wie verführend der Gedanke ist, seinen Kindern die Leseerlebnisse der eigenen Kindheit und Jugend nahe zu bringen. Das ist nicht unbedingt empfehlenswert. Ich denke heute dankbar daran zurück, wie mein Sohn der Lektüre von Dreizehnlinden (Friedrich Wilhelm Weber: Dreizehnlinden, Paderborn 1878), dem Kultbuch seiner westfälischen Verwandtschaft, nach wenigen Seiten eine deutliche Absage erteilte. Wie ich heute einem Kind oder Jugendlichen weder den Struwwelpeter (Heinrich Hoffmann: Struwwelpeter, 1855) mit seinem Satz „Was kann der arme Mohr dafür, dass er nicht so weiß ist wie Ihr“ noch Onkel Toms Hütte (Harriet Beecher Stowe: Onkel Toms Hütte, Erstveröffentlichung 1852) als Lektüre in die Hand drücken würde, so finde ich doch beide Bücher sehr informativ, wenn man die Jugendlichen über die sich über Generationen hinziehende Entwicklung einer Sensibilität für die  lebensgefährlichen Ausgrenzungen von Menschen wegen politischer, religiöser, rassistischer oder sexueller Unterscheidungen informieren will. Gerade der Gedanke an Entwicklung und Chance des sich Änderns von Einstellungen im Laufe der Generationen und der einzelnen Leben ist interessant und birgt Hoffnung in sich.  

Meine Liebe zum „Bildersaal der Deutschen Geschichte “ wuchs verständlicherweise, nachdem mein Vater mir zu Weihnachten 1944 mit einem Kassiber (Das waren kleine Zettel auf denen, versteckt in der Schmutzwäsche, die Gefangenen Mitteilungen an Verwandte aus dem Gefängnis zu schmuggeln versuchten) aus dem Gefängnis das Buch zum Geschenk machte. Noch 1951 bereitete ich mich für das Abitur aus meinem geliebten Bildersaal vor. Das Deutschlandbild aus der Jugend meines Vaters mit all seinen mythischen Geschichtsbetrachtungen blieb lange der Hintergrund meines eigenen deutschen Geschichtsbildes. Das führte dazu, dass ich die historischen Vorstellungen über politische Ideen und Handlungen meines Vaters gut verstand, sie aber überhaupt nicht kritisch hinterfragte.

Meine Mutter hielt sich nicht nur bewusst von den Treffen der Familien des 20. Juli 1944 fern. Sie kannte nur wenige der Angehörigen und lehnte größere Menschenansammlungen sowieso ab. Sie bewirkte auch, mit Erfolg, dass wir ebenfalls nicht daran teilnahmen. Ihr Argument war es, dass mein Vater sehr wohl das Richtige getan habe, dies aber nicht unser Verdienst sei, dass wir vielmehr die Aufgabe hätten, unser eigenes Leben, unabhängig von seinen Entscheidungen, anständig zu führen. Erst in den mittleren 1970 er Jahren, nach ihrem Tod, begann ich mich mit dem Widerstand meines Vaters zu beschäftigen. Daher betrafen mich die kritischen Auseinandersetzungen der 68er Generation mit der nationalsozialistischen Vergangenheit und auch mit dem Widerstand nur sehr am Rande. Mir blieben viele Verletzungen der Angehörigen der Widerständler erspart. Auch von den Querelen der einzelnen Personen und Gruppen, die sich um die Bedeutung und die Einschätzung ihres jeweiligen Angehörigen stritten, habe ich damals kaum etwas mitbekommen.

Therese Benedikta Freifrau von und zu Guttenberg, geb. Prinzessin zu Schwarzenberg, 1950
Therese Benedikta Freifrau von und zu Guttenberg, geb. Prinzessin zu Schwarzenberg, 1950 © Privatbesitz

Deshalb konnte die Annäherung an das Leben meines Vaters über die Jahre hin langsam und unaufgeregt erfolgen. Die Erkenntnis, dass viele seiner damals wirkmächtigen politischen Ein- und Vorstellungen teilweise schon zu seiner Zeit überholt waren, entwickelte sich bei mir nach und nach.

Mein Vater war Rassist. Er teilte auf diesem Gebiet viele der Vorurteile seiner Zeit. Seine Zeitschrift die Weißen Blätter (Herausgeber: Karl Ludwig zu Guttenberg, Weiße Blätter- Monatsschrift für Geschichte, Tradition und Staat  1935- 1943. Bad Neustadt/Saale 1935-1943) sind eine Fundgrube für dieses Urteil. Ihre Auslassungen über die Bewohner von China und den afrikanischen Ländern sind in ihrer Überheblichkeit an Rassismus und unhinterfragten Vorurteilen nicht zu übertreffen. Sobald man meinen Vater aber in seine eigene Zeit stellt, könnte man keine Entschuldigung, aber doch eine Erklärung für seine Einstellungen finden. So waren Reisen, wie in meiner Generation, im Leben meines Vaters nicht vorgesehen. Er war einmal, immer eingebunden in Reisen zu Verwandten oder Freunden, eine Woche in Istanbul, mehrmals in Österreich, im heutigen Tschechien und in Italien.

Wir haben die Chance, fremde Kulturen und Nationen kennen zu lernen, da uns Wirtschaft und Tourismus in sie führen. Außerdem können wir durch die Flüchtlinge in unserem Land viel über Kultur und Werte anderer Länder erfahren und mit verfolgen, wie sich die Einstellung zum Mitmenschen im Laufe der Zeit entwickelte. Mein Vater kannte keine Chinesen und dürfte nur sehr wenige Bewohner Afrikas oder Asiens erlebt haben. Jüdische Bekannte und Freunde hatte er, die Einstellung zu den Juden konnte eine Korrektur erfahren.

Mein Vater lehnte als überzeugter Monarchist die Weimarer Republik ab. Langsam lernte ich anzuerkennen, dass auch er damit an ihrem Sturz beteiligt war und deswegen den Aufstieg des Nationalsozialismus mit ermöglicht hatte. Diese Tatsache ließ sich nicht leugnen, obwohl mein Vater den Nationalsozialismus schon vor der so genannten „Machtergreifung“ ablehnte. Zunächst bekämpfte er ihn als überzeugter Monarchist. Doch er durchschaute auch sehr frühzeitig das nationalsozialistische Programm. Seine Studienzeit in den 20er Jahren in München und seine Berufung in den Aufsichtsrat der Münchner Neuesten Nachrichten waren da eine gute Lehrzeit, die ihn diese Ideologie ablehnen ließ.

Seine Auseinandersetzungen mit dem Nationalsozialismus in seiner späteren Zeitschrift Weiße Blätter - Monatsschrift für Geschichte, Tradition und Staat waren aus heutiger Sicht auf vielen Gebieten sehr grundsätzlich gegen den Nationalsozialismus, bewusst demokratisch geprägt waren sie an keiner Stelle. Nach dem Krieg erklärte meine Mutter, mein Vater habe in den letzten beiden Jahren seines Lebens anerkannt, dass es auch noch eine andere Staatsform gäbe als die Monarchie. Mit der Begründung, hier ganz in seinem gewandelten Sinne zu handeln, schloss sie sich in meinem Heimatort den Gründern der CSU an. Dieser Wandel in den politischen Ansichten meines Vaters ist nirgends schriftlich festgehalten. Doch kann hier die Tatsache als weiterer Beweis gelten, dass alle seine im Widerstand neu gewonnenen Freunde in Berlin durchaus demokratisch dachten und oft schon in der Weimarer Republik politische Aufgaben erfüllt hatten.

Da ich fürchtete, dass mein Vater als Nicht-Demokrat und Feind der Weimarer Republik als Widerständler auf die Dauer seine Anerkennung verlieren und dem Vergessen anheimfallen würde, begann ich aus den mir zur Verfügung stehenden Quellen nachzuweisen, wo und wann seine Einstellung und sein Handeln Charaktereigenschaften zeigten, die auch jeden echten Demokraten erst zu einem solchen werden ließen. Ich versuchte, sein Bild in diese Richtung ein wenig zu korrigieren. Genau an diesem Punkt beginnt die Gefahr, dass die beschriebene Person sich von der Wirklichkeit entfernt und zu einer Statue wird. Ein festgeschriebenes „Bild“ legt fest und engt ein. Damit verliert die beschriebene Person die Vielfalt, die Leben immer kennzeichnet.

Ich selbst verdanke die folgenden Gedanken der Lektüre von Aleida Assmanns neuestem Buch: Die Wiedererfindung der Nation - Warum wir sie fürchten und warum wir sie brauchen (Assmann, Aleida, Die Wiedererfindung der Nation. Warum wir sie fürchten und warum wir sie brauchen, München 2020). Sie mahnt, Erzählungen nicht zu Mythen verkommen zu lassen und von dem Bestreben bestimmt zu sein, der Wahrheit so nahe wie möglich zu kommen. Sie dürfen weder von einer Überhöhung einer Idee, eines Staates oder gar einer Person diktiert sein. Es darf nichts - um eines verfolgten Zieles wegen - weggelassen oder geschönt werden. Es gilt den, dem erzählt wird, mit ins Blickfeld zu nehmen. Assmann beschreibt anhand unseres heutigen Umfelds diese Tatsache treffend, wenn sie ausführt: „Ob wir es wissen oder nicht, ob wir es wollen oder nicht, sind wir Teil immer größerer Wir-Gruppen, die überkommen oder selbst gewählt unser Leben bestimmen, indem sie Besonderes mit Allgemeinem und Individuelles mit Gemeinsamem verbinden“ (Aleida Assmann, S. 99).

Das Narrativ des Deutschen Widerstands um den 20. Juli 1944 greift zu kurz, wenn es sich allein auf das Attentat beschränkt. Das Attentat hatte eine Vorgeschichte und vor allem ein einzigartiges Ziel. Es galt der Wiederherstellung der Majestät des Rechts. Dieses Ziel herausarbeitend, hätte in meinem Fall bedeutet, durchaus zuzugeben, dass mein Vater im Sinne der Weimarer Republik kein Demokrat und an ihrem Untergang beteiligt war. Aber ebenso galt es festzuhalten, dass er und viele seiner Freunde, mit ihrem Einsatz, oft ohne es gezielt zu wollen, im Widerstand den Weg für eine neue demokratische Staatsform mit vorbereiteten. Denn die von ihnen angestrebte Rechtsstaatlichkeit ist das Fundament jeder Demokratie.

Dieses Ziel konnte nur durch die Unterstützung vieler erreicht werden. Das Attentat am 20. Juli 1944 ist ohne das Netzwerk gar nicht zu denken, auf das sich seine Vorbereitung und Ausführung stützte. Mich beeindruckt immer wieder das weit ausgreifende Netzwerk im Widerstand, wie es Linda von Keyerserlingk-Rehbein in ihrem Buch „Nur eine ganz kleine Clique“ (Linda Keyserlingk-Rehbein: Nur eine ganz kleine Clique. Die NS-Ermittlungen über das Netzwerk vom 20. Juli 1944, Berlin 2018) aus den Akten der Gestapo abgeleitet hat. Nach ihrer Arbeit wird es sehr fragwürdig, heute im Zusammenhang mit dem Attentat vom 20. Juli 1944 weiter Lebensbilder einzelner Gegner zu entwerfen, es sei denn, es handelt sich wirklich um Einzelgänger wie Georg Elser, in dessen Person Idee und Tat in einer, in seiner Person, vereint waren.  

Mein Vater war ein Netzwerker. Sein Freund, der inzwischen längst vergessene Schriftsteller Reinhold Schneider, beschrieb später, dass ihm die höchst seltene Eigenschaft verliehen gewesen sei, „…andere zu verwandeln, zu verpflichten, sie auf ihren Weg zu schicken, ohne Befehl und ohne sich selber ernst zu nehmen. Denn ernst nahm er nur seinen Auftrag“ (Zitiert nach: Helmut Gollwitzer u. a. (Hrsg.): „Du hast mich heimgesucht bei Nacht.“ München 1954, S. 154). Altersgenossen, die meinen Vater noch erlebt haben, versichern, wie sehr sie ihn als Kinder und Jugendliche schätzten, da sie immer das Gefühl hatten, gleichgültig in welchem Alter, dass er sich voll Interesse auf ihre Belange einließ und sie ernst nahm. So habe auch ich ihn nicht nur mir gegenüber in Erinnerung. Mein Vater nahm den Mitmenschen ernst.

Mich beeindruckte an meinem Vater und damit am ganzen Widerstand, wie diese Gegner des Nationalsozialismus die gesellschaftlichen und politischen Gräben ihrer Zeit, die sie zunächst oft zutiefst voneinander trennten, „um der Sache willen“ überwanden. Industrielle setzten sich mit Gewerkschaftern, Gutsbesitzer mit Arbeitern, Sozialdemokraten und Kommunisten, Katholiken mit Evangelischen und Süddeutsche mit Preußen zusammen. Diese „Sache“ war eben die Wiederherstellung der Majestät des Rechts, die letztendlich nur durch ein Attentat zu erreichen war. Das war damals alles andere als gewohnt und hier ergibt sich in unserer gesellschaftlich und politisch zerstrittenen Öffentlichkeit ein Ansatz für unsere Erzählung, für unser, um mit Aleida Assmann zu sprechen, überfamiliäres und übernationales Narrativ.

Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg (links), Hans von Dohnanyi und Justus Delbrück (rechts), 1942
Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg (links), Hans von Dohnanyi und Justus Delbrück (rechts), 1942 © Privatbesitz

Alles Leben ist im Fluss und wir Menschen waren in allen Generationen mit unseren Fähigkeiten und unseren Mängeln an diesem Fluss, sowohl beteiligt als auch von ihm umspült. Wenn wir das bedenken, könnte die Möglichkeit bestehen, in unseren Erzählungen nicht Vorbilder für die Nachfolgenden, sondern vielleicht Wegbegleiter und Mutmacher zu   vermitteln. Nur wahrheitsgemäß, ohne Versuche der Idealisierung oder Abwertung aus heutiger Sicht, in ihr Umfeld gestellt, werden unsere Vorfahren glaubwürdig.

Zum Schluss möchte ich noch auf etwas hinweisen, von dem ich heute weiß, wie dankbar ich dafür sein muss. Dieser Dank gilt rückschauend meiner Mutter: Sie hat nie versucht, aus meinem Vater für uns Kinder einen Helden zu machen. In ihrem Bild hatte dieser Vater sicher große Verdienste, aber ebenso hatte er seine Fehler. Das war für meine Entwicklung bis heute, wenn ich es auch nicht immer so gesehen habe, sehr, sehr hilfreich. Mein Vater blieb für mich immer ein sehr geliebter, aber ein Mensch. Ich habe der Biographie meines Vaters (Maria Theodora Freifrau von dem Bottlenberg-Landsberg, Karl Ludwig Freiherr zu Guttenberg. Ein Lebensbild. Berlin 2003) die Worte des Lyrikers Erich Fried vorangestellt:

Es ist wichtig, dass der Mensch das Richtige denkt.

Es ist wichtig, dass der Mensch, der das Richtige denkt, ein Mensch ist.

Dem möchte ich hinzufügen: „Es ist wichtig, dass der Mensch, der das Richtige denkt, ein Mensch sein darf.“

Eine Kurzbiografie von Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg und weitere Literaturhinweise finden Sie hier.