Begrüßung

Eberhard Bethge

Begrüßungsworte des Vorsitzenden des Kuratoriums der Stiftung „Hilfswerk 20. Juli 1944“, Professor Dr. Eberhard Bethge DD, am 20. Juli 1984 in der Gedenkstätte Plötzensee, Berlin

Im Namen der katholischen und der evangelischen Kirche begrüße ich Sie im Hof des Grauens und des Gedenkens zu dem Gottesdienst, mit dem wir den vierzigsten Jahrestag des 20. Juli 1944 gemeinsam beginnen. Wir freuen uns der bisher so nicht erlebten Beteiligung, die uns veranlasste, die Feier zum ersten Mal aus dem Schuppen hier ins Freie zu verlegen.

Wir feiern die Eucharistie und das Abendmahl wie seit Jahren immer noch schmerzlich getrennt, aber doch je in der Gegenwart der anderen Konfession. Diese Doppelfeier hat zwei Wurzeln. Einmal ruht sie in einer Erfahrung im Zellengefängnis Lehrter Straße 3 vom Winter 1944/45. Zum anderen verdankt sie sich der Vision und Energie von Frau Senatorin Gertrud Lampe in den sechziger Jahren.

In der Lehrter Straße hatten der Dominikaner-Pater Odilo Braun und ich selbst als Mithäftlinge je unsere „Pfarrkinder“, dort im Flügel B. Eines Tages fand ich in der Zelle Ernst von Harnacks eine Flasche Wein, als ich am Tag der Exekution seine Zelle zu räumen kommandiert war. Von dieser Flasche übergab ich die Hälfte an Pater Odilo; er brauchte sie dringend für seine Messfeier in der Zelle. Er aber schenkte mir einige von seinen Oblaten, die er auf irgendeine Weise bekommen hatte. Wann immer möglich nahm ich nun das geweihte Brot für seine katholischen Freunde in einem Umschlag mit seinem Gruß zu mir, wenn ich zum Helfen beim Essen-Austeilen ausgeschlossen und so eine kurze Türbegegnung mit den Kameraden möglich wurde. Ich selbst war nun aber in der Lage, das gewünschte Abendmahl zu halten, wenn freundliche Wächter während des Turnus eines der milderen Kommandanten mich mit einem Freund zur Sakramentsfeier in dessen Einzelzelle zusammenschlossen. Die für Odilo und für mich sehr neue Kooperationserfahrung zwischen Priester und Pastor haben wir nicht vergessen.

Nach 1945 hielten wir bei den Feiern zum Jahrestag des 20. Juli zunächst jeder getrennt seinen Morgengottesdienst für die Überlebenden und für die Angehörigen der Getöteten. Pater Odilo in seinem Konvent, der Kapelle des Dominikaner-Klosters in Moabit; wir Protestanten zumeist in der Dahlemer Annenkirche, einst die Kirche Martin Niemöllers.

In den Sechzigern kam es dann einmal dazu, dass man sich im Gefängnis der Lehrter Straße des Morgens traf – damals war das Gebäude noch nicht abgerissen – und gemeinsam abhielt, was man heute einen ökumenischen Gottesdienst nennt, das heißt gemeinsame Wortverkündigung und Gebet. Und es war zu dieser Zeit, dass uns die damalige Geschäftsführerin der Stiftung, Frau Gertrud Lampe, nachhaltig zu ermutigen begann, die geographische und die zeitliche Nähe unserer Sakraments-Gottesdienste mit den Todgeweihten, damals in den Zellen, nun mit den Angehörigen beider Konfessionen räumlich in Plötzensee wieder aufzunehmen. Wer Pater Odilo gekannt hat, weiß noch, mit welcher Hartnäckigkeit er die Sache verfolgte, als er sie zu seiner eigenen gemacht hatte. So standen wir eines Tages – es war der 25. Todestag der Gruppe Canaris, Oster, Sack, Strünck, Gehre, Bonhoeffer – gemeinsam in Flossenbürg in der Kapelle dort im Lager am Altar während der rahmenden Lieder und während des Gebetes und saßen und standen dabei, während jeder von uns je seine Liturgie zelebrierte und das Sakrament an die Gläubigen seiner Konfession austeilte. Und damit fuhren wir dann regelmäßig fort hier im Schuppen von Plötzensee. Jeder blieb bei seinen kirchenrechtlichen Festlegungen; wir verletzten keine Sperre im Sinne einer Konzelebration. Mit gewisser Trauer blieb jeder bei Lehre und Praxis seiner Kirche. Wir wollten keine Sensation als Vorreiter einer Kirchenreform. Aber wir wollen uns auch nicht mehr geographisch und zeitlich einfach wieder trennen lassen an der Stelle, wo unser Herz am stärksten von gleicher Erfahrung der Nähe und der Ferne Gottes getroffen war und ist.

Diese Gottesdienste hielten deshalb zunächst auch nur die ehemaligen Mithäftlinge von 1944/45: der unerschüttert treue Pater Odilo, solange ihn nur seine Füße noch trugen; und auf evangelischer Seite Hanns Lilje und ich. Nach Odilos Tod trat auf katholischer Seite der Provinzial seines Ordens der Dominikaner, das Erbe an; nun ist er schon ein fester Bestandteil unserer Gemeinschaft bei diesen Jahresfeiern. Auf evangelischer Seite übernahm seit Jahren die für Plötzensee zuständige Gemeinde, Charlottenburg Nord, durch ihre Pfarrer die Verantwortung und zumeist auch die Durchführung dieser Feiern. Heute freuen wir uns besonders darüber, dass zum ersten Mal der evangelische Bischof von Berlin die Predigt halten will. So begrüßen wir von Herzen den Pater Provinzial Dr. Meyer und den Bischof Dr. Kruse.

Lassen Sie uns nun hier an der Stelle der Hingabe von Schwestern und Brüdern die Abendmahlsfeier und die Eucharistie begehen, wie sie uns überliefert sind. Lassen Sie uns dabei einander im Glauben begleiten.







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20.07.1984
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