Die Initiative ergreifen und in eigener Verantwortung handeln

Dr. Axel Smend


Ansprache beim Mittagessen am 20. Juli 2018 im Hotel Maritim


Wir beide begrüßen Sie alle sehr gerne und sehr herzlich zu unserem Zusammensein heute.


Stellvertretend für alle Angehörigen grüßen wir insbesondere Frau von Boehmer, die Frau von Hasso von Boehmer, der im März 1945 in Plötzensee hingerichtet wurde.


Sie hat vor drei Tagen ihren 107ten Geburtstag im Kreise ihrer Familie begangen; ihr geht es gut; unsere allerbesten Wünsche gehen zu ihr nach Freiburg.


Unser ganz besonderer Gruß gilt Ihnen, liebe Frau Bundesministerin von der Leyen. Wir sind Ihnen dankbar für Ihre Treue und Ihr starkes Interesse an unserer Arbeit.


Auch freuen wir uns sehr über das Kommen von Generalinspekteur Zorn wie auch über die signifikante Präsenz der Bundeswehr hier im Saal, dokumentiert es doch unsere wechselseitige gute Kooperation.


Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
Exzellenzen.


Gerne begrüßen wir auch die anwesenden Vertreter des Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, sowie die der ÖVP-Kameradschaft der Politisch Verfolgten.


Lieber Herr Superintendent Bolz, danke, dass Sie uns heute Morgen zusammen mit Pater Mertes, Pater Meyer und den Schwestern des Karmel im Gottesdienst im Hinrichtungsschuppen von Plötzensee begleitet haben.


Der Gottesdienst bietet für alle dort Anwesenden seelischen und geistigen Halt, an diesem besonderen Tag, an dieser grauenvollen Stätte.


Verehrte Gäste, liebe Angehörige,


Seien Sie uns alle von Herzen willkommen! besonders auch die vielen Jugendlichen und unsere drei allerjüngsten Angehörigen, die noch im Kinderstühlchen sitzen:


Otto Schmitz, Caillou – Marisol Senarclens de Grancy und Ida Smend.


Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Angehörige, liebe Jugendliche,


Alljährlich kommen wir hier mittags zu Gesprächen zusammen, aber niemals routiniert im Anspruch.


Von General Olbricht, er wurde in der Nacht von 20. auf den 21. Juli 1944 hier im Ehrenhof standrechtlich erschossen, ist folgender Satz überliefert: „Ich weiß mit Sicherheit, dass wir alle in einer schon verzweifelten Situation das Letzte gewagt haben, um Deutschland vor dem völligen Untergang zu bewahren. Ich bin überzeugt, dass unsere Nachwelt das einst erkennen und begreifen wird.“


Die Nachwelt, das sind wir alle, und das sind vor allem die Jugendlichen.


Und diese geben in ihren Schulen und bei sonstigen Veranstaltungen Zeugnis ab, dass sie die Botschaft des deutschen Widerstandes auch heute verinnerlichen und verarbeiten.


So wurden z. B. anlässlich einer Veranstaltung in der Max-Ulrich-von-Drechsel-Realschule in Regenstauf drei Zehntklässler dieser Schule – Patricia Spreizer, Nikolai Motzel sowie Maxi Neßlauer – sie sind heute hier – gebeten, den Widerstand in der NS-Diktatur auf die heutige Zeit zu reflektieren.


Sie sagten: „Widerstand fängt bei mir an. Es ist wichtig, den eigenen Standpunkt deutlich zu machen; nein zu sagen zu Dingen, die ich nicht will, ohne andere zu unterdrücken.


Aufgeben ist nie eine Alternative.


Wer heute in den Sozialen Medien die Gräuel von damals ins Lächerliche zieht, das können nur Leute sein, die sich nie damit beschäftigt haben.


Seine eigene Meinung zu vertreten, das ist das, was uns ausmacht. Heute muss keiner dafür, was er sagt, mit Konsequenzen rechnen.“


Auch zitierte jemand den Satz, den man Hans Scholl zuschreibt: „Nicht wir müssen etwas tun, sondern ich muss etwas tun.“


Also:  Nicht lange zögern und warten, sondern selber Initiative ergreifen, zupacken und bereit sein in eigener Verantwortung und im eigenen Umfeld zu handeln.


Diesem Geist entspringt doch auch der heutige Aufruf von 380 Angehörigen auf der Titelseite des Tagesspiegel für ein geeintes und starkes Europa, in dem die Achtung der Menschenwürde und wechselseitiger Respekt Grundlagen des Gemeinwesens sind, und in dem Rechtspopulismus eine klare Absage erteilt wird.


Eine meines Erachtens sehr begrüßenswerte Initiative, gerade am heutigen Tag! Dank an Christina Rahtgens, Friederike Roll und Carolin Sadrozinski, die diesen Aufruf initiiert haben. Auch sie sind heute hier.


Die Vergangenheit aufzuarbeiten ist notwendig! – Sie, sehr geehrter, lieber Herr Bohrer, den wir hier besonders begrüßen, hatten in Ihrer wichtigen Ansprache am 20. Juli 2013 in Plötzensee genau auf dieses Erfordernis hingewiesen, sehr zu Recht, um 1.) zu wissen, was war und um 2.) zu wissen, was künftig sein soll; also auch die Frage nach der Botschaft derjenigen zu stellen, die sich widersetzt haben.


Die Gedanken der Schüler und Schülerinnen der Max-Drechsel-Schule sowie die Gedanken des Aufrufs der Nachkommen können Antworten geben. Außenminister Heiko Maas, dem wir sehr für seine klare Ansprache danken, hat meines Erachtens ebenfalls treffsichere und zukunftsweisende Antworten gefunden.


Auch die vor einem Jahr gegründete Erwin-von-Witzleben-Gesellschaft verbindet Erinnerungs- und Zukunftsverantwortung miteinander.


Sie verleiht jährlich, zusammen mit der Offiziersschule des Heeres, in Erinnerung an das beispielgebende Handeln des Patrons der Gesellschaft während der Nazi-Diktatur, den Erwin-von-Witzleben-Preis.  


Sie, sehr geehrter Herr Oberleutnant Jahnke, sind der erste Preisträger. Seien Sie uns hier sehr herzlich willkommen!


Auch mit der Stauffenberg Gesellschaft, deren Gründungsmitglied Frau Prof. Lutum-Lenger wir hier besonders begrüßen, gibt es gemeinsame Aktivitäten.


Mit dieser Gesellschaft verpflichten wir uns, auf dem Alten St. Matthäus-Kirchhof die Grab- und Erinnerungsstätte für Claus Stauffenberg, Beck, Olbricht, Albrecht von Mertz und Werner Haeften substantiell zu pflegen.


Ihre Leichen sind nach dem 20. Juli 1944 auf dem dortigen Friedhof begraben, kurze Zeit später exhumiert und verbrannt worden. Ihre Asche wurde sodann auf den Rieselfeldern von Berlin verstreut, um der Nachwelt keinen Gedächtnisort zu hinterlassen.


Liebe Angehörige, liebe Gäste, unsere historische Verantwortung kennt eben kein Ende und jeder Versuch, die Zeit des Nationalsozialismus aus unserer Geschichte zu löschen oder zu relativieren, ist völlig untauglich.


Im Gegenteil:


Wir müssen uns gegen diese Tendenzen mit Nachdruck wehren; das ist meines Erachtens der größte Ausdruck des Dankes, den wir heute Baum, Beck, Berkowitz, Klaus und Dietrich Bonhoeffer, Hans und Hilde Coppi, Elser, Goerdeler, Hansen, Hermes, Hofacker, Kleist, Moltke, Perels, Probst, Reichwein, Sadrozinski, Gert und Henning von Tresckow und allen anderen bekannten und unbekannten aus dem Widerstand schuldig sind.


Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Angehörige, liebe Jugendliche,


im vergangenen Jahr haben uns wieder Angehörige und gute Freunde für immer verlassen.


Lassen Sie uns gemeinsam an sie denken, und so bitten wir Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben:


Ansgar von Kleist
Wilfried von Kleist
Dr. Hans-Ulrich Abshagen
Marianne Noelle, geb. von Kaehne
Hildegard Rauch, geb. Kiep
Renate Seifert, geb. Erdmann
Anna Elisabeth (Annlies) Gräfin von Bernstorff, geb. Wallraf,
Prof. Dr. Reinhard Rürup
Ruth Lejeune-Jung, geb. von Ostrowski
Maria Ingeborg von Heemskerck, geb. von Boddien
Harald von Boehmer


Wir verbeugen uns noch einmal vor den Verstorbenen, denen unsere Stiftung Dank und engagierte Weiterarbeit schuldet.


Wir danken Ihnen allen, dass Sie der Verstorbenen gedacht haben.


Zum Schluss darf ich, liebe Angehörige und liebe Gäste, in Ihrer aller Namen dem Vorstand der Stiftung, Frau Frey mit eingeschlossen, sehr herzlich für seine außerordentlich zielführende Arbeit danken.


Gerade in den letzten Monaten sind neue und teilweise sehr arbeitsaufwendige Projekte begonnen und vor allem auch durchgeführt worden.


Ohne die sehr komplexe und insbesondere auch von wechselseitiger Wertschätzung geprägte Zusammenarbeit mit Herrn Tuchel und seinem Team wäre dieses nicht gelungen. Mein großer Dank gilt ihm ebenso!


Lieber Robert, darf ich Dich trotz Deiner so angenehmen und sensiblen Bescheidenheit bitten, doch einige Worte zu dem zu sagen, was ich eben im Vorgriff so gelobt habe?