Gedanken in die Zukunft
anlässlich der Veranstaltung „Mit der Erinnerung in die Zukunft – ein engagiertes Vermächtnis“. Letzte Briefe aus dem Widerstand gelesen von Gunter Schoß am 20. Juli 2024 um 18:30 Uhr in der Gedenkkirche Maria Regina Martyrum (80. Jahrestag des 20. Juli 1944)
- Dr. Axel Smend -
Die verlesenen fünf Briefe stehen für alle damals im Angesicht des Todes verfassten Briefe, so auch für jene unserer Väter und Großväter. Nichts von Hass und Vergeltung! Nein, ihre Sprache atmet eher die Luft der Freiheit, im Gegensatz zur damaligen Sprache draußen, die von Lügen geprägt war. Sie sagen frei aus, was die Männer und Frauen, dem Tod ins Auge blickend, gedacht haben.
Sie alle verbindet ihr Glaube an die Zukunft: „Man muss es“, wie Berthold Stauffenberg formuliert hat, „für unser Land und unsere Kinder tun“, denn, so Dietrich Bonhoeffer: „Die letzte verantwortliche Frage ist nicht, wie ich mich heroisch aus der Affäre ziehe, sondern wie eine kommende Generation weiterleben soll.“
Sie alle haben alleine oder auch gemeinsam mit ihren Gesinnungsfreunden ihr Leben, häufig auch das ihrer Familien, riskiert, für Rechtsstaatlichkeit und Freiheit in Deutschland. Dabei haben sie, jeder für sich, auf ihre innere Stimme gehört, die ihnen sagte: „Nimm es nicht mehr hin! Auch wenn alle es tun, ich nicht!“ Diese Stimme ist für mich Grundlage widerständigen Handelns. Sie gibt, wie Hans von Dohnanyi formuliert hat, „zwangsläufig den Gang eines anständigen Menschen“ vor, also die Haltung, für die ich stehe, aber auch einstehe, mit allen Nachteilen. Diese Haltung ist das Erbe, das uns die Lebenswege, die Gedanken und die Taten von Carl Goerdeler, Georg Elser, Liane Berkowitz, Helmuth James von Moltke, Ludwig Beck, Sophie Scholl und von allen anderen aus dem Widerstand hinterlassen haben.
Ein Erbe kann man ausschlagen, aber auch annehmen. Wir müssen es annehmen! Auch wenn, nein, gerade weil dieses Erbe einer zeitlosen, permanenten Einlösungspflicht bedarf! Denn, so Fritz Bauer: „Nichts gehört der Vergangenheit an. Alles ist noch Gegenwart und kann wieder Zukunft werden.“ Lasst uns daher täglich bereit sein, unserer inneren Stimme zu folgen und für den Fortbestand von Freiheit und Menschenwürde eintreten! Horcht auf diese Stimme! Sie weist Euch Eure Haltung zu. Verbindet sie mit Eigeninitiative und couragiertem Engagement, auch wenn es Mühe und Zeit kostet und Risiken mit sich bringt! Traut Euch! Beim Sport, beim Kicken in der Fußballmannschaft, in der Schule, in der Uni, in der Familie, im Beruf, im Ehrenamt, in der Gemeinde, in Vereinen, am Stammtisch, in den Medien, in politischen, sozialen und kirchlichen Gruppierungen, auch wenn Ihr Nachteile oder Einbußen in Kauf zu nehmen habt!
Der Einsatz unserer Väter, Großväter und Urgroßväter lehrt: Freiheit und Demokratie sind von Haus aus nicht garantiert; Gefahren von außen und innen drohen auch unserer Demokratie, in der wir jetzt leben. Für ihren Erhalt müssen wir uns einsetzen!