Gerade der Soldat braucht eine sinnvolle Tradition.

Cord von Hobe

Gerade der Soldat braucht eine sinnvolle Tradition.

Ansprache des Generalleutnants Cord von Hobe am 20. Juli 1965 im Ehrenhof des Bendlerblocks in der Stauffenbergstraße, Berlin

Verehrte Anwesende!

Die Bundeswehr ist – wie in den vergangenen Jahren – auch heute durch eine Abordnung hier vertreten, um den Männern und Frauen des 20. Juli Ehre und Dank zu bezeugen.

Die sich aus dem der Bundeswehr gestellten Auftrag, „den Frieden in Freiheit zu erhalten“ ergebenden Aufgaben der Gegenwart und Ziele für die Zukunft sind nicht zu trennen von der Vergangenheit. Gerade der Soldat braucht eine sinnvolle Tradition, die für ihn verpflichtend und vorbildlich ist. Wir haben bewusst die Männer und Frauen, derer wir in diesen Tagen gedenken, an die Spitze unserer Traditionsreihe gestellt.

Aber Tradition darf sich nicht in Formen und Gedenkfeiern erschöpfen. Tradition kann man auch nicht in Dienstvorschriften regeln. Tradition muss lebendig sein. Nur aus dem Verständnis jener dunklen Zeit gewinnen wir die Erkenntnis, warum jene Männer so gehandelt haben.

Es mag vor 20 Jahren für viele dieser Männer bedrückend gewesen sein, von den eigenen Untergebenen und Kameraden nicht verstanden, ja als Meuterer abgelehnt zu werden. Denn gerade im soldatischen Raum sind Disziplin, Vertrauen und kameradschaftliches Verstehen Grundlagen, die nicht leichtfertig zerstört werden dürfen.

Trotzdem nahmen viele dies Odium auf sich. Aber sie taten es nach schweren inneren Kämpfen und der Prüfung ihres Gewissens in der Erkenntnis – wie einer von ihnen sagte –, dass der Wert eines Menschen erst dort beginnt, wo er bereit ist, für seine Überzeugung sein Leben einzusetzen.

Es wäre schlimm, wenn wir das heute nicht verstehen würden; es wäre aber verhängnisvoll, wenn unsere Jugend, wenn unsere jungen Offiziere in der Tat des 20. Juli nur ein geschichtliches Ereignis und nicht eine bleibende Verpflichtung sehen würden.

In wenigen Jahren wird in unseren Streitkräften kein Offizier mehr sein, der diese Zeit vor 20 Jahren bewusst miterlebt und zu diesen Männern dienstliche oder persönliche Bindungen gehabt hat.

So sage ich Ihnen, meine jungen Kameraden, die Sie heute nicht nur als Söhne und Enkel jener Männer des 20. Juli, sondern auch als junge Offiziere stellvertretend für alle jungen Offiziere der Bundeswehr hier stehen: Wahren Sie die Tradition Ihrer Väter, deren Tat nicht einem spontanen oder gar leichtfertigen Entschluss entsprang, sondern einer bewundernswerten religiösen, geistigen und freiheitlichen Gesinnung als gläubige Christen und geschichtsbewusste Staatsbürger. Bilden Sie unsere jungen Soldaten so aus, führen Sie so und sorgen Sie so für sie, wie Ihre Väter es getan haben.

Ich darf Ihnen versichern, dass Ihre Väter die Grundsätze der Führung und Fürsorge, wie sie so heute zeitbedingt sind, genauso bejahen würden, wie wir zu ihnen stehen müssen.

Und noch eins: Werden Sie nie einsam oder gar bitter, auch nicht in den immer wieder aufkommenden Sorgen des militärischen Alltags. Suchen Sie und Ihre Kameraden den Weg zu allen Schichten unseres Volkes, so wie sich Männer und Frauen des 20. Juli gegenseitig gesucht und gefunden haben. Nur so werden Sie, nur so wird die Bundeswehr in und mit dem gesamten deutschen Volke den Frieden in Freiheit erhalten.



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20.07.1965
Prof. Dr. Dr. h.c. Karl Brandt
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