Soldaten dienen ohne Prestige

Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Wolf Graf von Baudissin

Soldaten dienen ohne Prestige

Ansprache des Generalleutnants der Bundeswehr Wolf Graf von Baudissin am 20. Juli 1964 in der Bonner Beethovenhalle

Die ehrenvolle Aufforderung, hier vor Ihnen zu sprechen, wäre schwerlich an mich ergangen, noch hätte ich sie annehmen mögen, wenn nicht auch und gerade Soldaten an hervorragender Stelle Leben und berufliche Existenz im deutschen Widerstand gegen Hitler eingesetzt hätten. Gleich manchem anderen, hätte auch ich nie wieder die Uniform anziehen wollen, wenn es nicht jene Soldaten gegeben hätte, die entgegen allen damals geltenden Begriffen und im Gegensatz zur überwiegenden Zahl ihrer Kameraden und Mitbürger „das Nessushemd anzogen“, wie Henning von Tresckow es in einem seiner letzten Briefe ausdrückt. Ich darf wörtlich zitieren: „Wer in unseren Kreis getreten ist, hat damit das Nessushemd angezogen. Der sittliche Wert eines Menschen beginnt erst dort, wo er bereit ist, für seine Überzeugung sein Leben hinzugeben.“

Die Entscheidung dieser Menschen, für Freiheit, Menschenwürde und Recht alles, selbst den Vorwurf ehrlosen Verrates, auf sich zu nehmen und das Risiko der Niederlage des eigenen Volkes der Fortdauer oder gar dem Sieg des Unmenschlichen vorzuziehen, ja, schließlich die Tat ohne Aussicht auf praktischen Erfolg zu wagen, begründete meine Hoffnung auf freiheitlich gesonnene Streitkräfte in einem neuen Staate. Hier war eine Gewissensentscheidung getroffen worden, die ihre Rechtfertigung allein aus dem Gesetz sittlicher Verpflichtung bezog. Damit war ein Vorbild bester soldatischer Überlieferung vorgelebt, an das man würde anknüpfen können.

Aber auch neben Herrn Ludwig Rosenberg, dem Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, könnte ich nicht in Unbefangenheit sprechen, wenn nicht Gewerkschaftsführer und Offiziere im Widerstand nebeneinander gestanden hätten, wenn es nicht die Freundschaft zwischen Leber und Stauffenberg, Schulenburg und Leuschner gegeben hätte. Das gleiche gilt für die Beziehung von uns Soldaten der Bundeswehr zu allen freiheitlichen Kräften unseres Volkes, die aus religiösen, so genannten rassischen, politischen oder gesellschaftlichen Motiven unter der Gewaltherrschaft gelitten oder sich geopfert haben. Es gilt darüber hinaus für unser Verhältnis zu ihren Kindern, die heute als Kameraden und Untergebene in unseren Reihen stehen.

In gemeinsamer Frontstellung gegen das Unrecht setzten sich die Männer und Frauen des Widerstandes über alle fiktiven Schranken überkommener Vorurteile und Gegnerschaften hinweg in der Erkenntnis, dass die lebensentscheidenden Werte nur gemeinsam zu verteidigen und zu wahren sind. Sie haben in leidvoller Erfahrung entschieden, wo die Grenzlinie verläuft und welchen Kräften wir alle – auch wir Soldaten von heute – in Wirklichkeit verbunden und verpflichtet sind.

„... die einzige Spaltung, die es in Deutschland geben darf, ist die zwischen anständig und unanständig ...“, schreibt Goerdeler in seiner Denkschrift für die Generalität vom März 1943 und interpretiert „anständig“ als Kräfte, die weder reaktionär noch radikal oder illusionistisch sind. Dieses Wort sollte uns allen zu Herzen gehen und uns helfen, die schmerzlichen Fronten von damals, da sich die Welt in Widerständler und Nichtwiderständler teilte, zu überwinden. Goerdeler und die anderen Verschwörer fühlten sich selbst zum aktiven Handeln verpflichtet, verkannten dabei aber nicht, dass es viele Deutsche gleichen Geistes gab, die aus Mangel an Übersicht oder an Gelegenheit nicht bis zum Widerstand vorstießen, jedoch versuchten, in ihren Verantwortungsbereichen das Unrecht zu mildern.

Für diese Klärung können wir gar nicht dankbar genug sein, und ich meine, es ist ein wesentlicher Sinn solcher Gedenktage, sich dieses Vermächtnisses zu erinnern, um es auch in den natürlichen Erscheinungen und Reibungen des Alltags zu beherzigen. In den Jahren meiner Arbeit in integrierten Stäben der NATO, insbesondere als Kommandeur der einzigen Ausbildungsstätte für zivile und militärische Führungskräfte des Bündnisses, habe ich täglich gespürt, wie viel wir den Männern und Frauen des deutschen Widerstandes verdanken, die in tödlicher Bedrohung das lebten, was uns heute so leicht über die Lippen geht. Unter den Lehrgangsteilnehmern des NATO Defense College, mit denen ich mich jeweils während eines halben Jahres um die Grundlagen des Bündnisses mühte, sind stets mehrere, deren Angehörige oder die selbst die Willkür des Dritten Reiches erfuhren. Manche Familien wurden, ohne in Kriegshandlungen verwickelt zu sein, „ausgemerzt“, wie es in der NS-Terminologie hieß. Wie sollte ich mit ihnen zusammenleben, mit ihnen über die gemeinsame Verteidigung von Freiheit und Recht sprechen, und wie könnte ich glaubwürdig die Forderungen des Bündnisses vertreten, wenn nicht auch deutsche Soldaten gegen Unfreiheit und Unrecht aufgestanden wären? Sie haben gemeinsam mit allen Kräften des Widerstandes ein Zeichen aufgerichtet für das andere Deutschland, als dessen Erben allein wir heute als verlässliche Partner angesehen werden.

Ich spreche zwar hier nicht im Namen der Bundeswehr – dazu gibt mir meine jetzige Verwendung keine Berechtigung. Doch sei es mir gestattet, als „Staatsbürger in Uniform“ einige persönliche Gedanken zur Bedeutung des 20. Juli 1944 und des Widerstandes überhaupt für den Beruf des Soldaten darzulegen. Im Zuge der Revolutionen, welche die alten Ordnungen aushöhlten und fiktiv werden ließen, verlor auch die Gesittung vergangener Tage ihre tragende Kraft. Dieser Tatbestand erklärt die Wehrlosigkeit so vieler Idealisten gegenüber den Verlockungen des Nationalsozialismus.

Dass wir heute noch nicht genügend allgemeinverbindliche neue Begriffe, Symbole und Wertvorstellungen finden und entwickeln konnten, beunruhigt uns alle – am allermeisten den, der mit Menschenführung zu tun hat. Immerhin, eins ist nach den leidvollen Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit zur gemeinsamen Erkenntnis aller Einsichtigen geworden: Erneute Flucht in eine Ideologie kann uns nicht aus dem Dilemma helfen. So bequem die Selbstaufgabe in einem totalitären System und so verführerisch die Teilnahme an ihrer überwältigenden Macht auch manchen erscheinen mag – niemand weiß besser als wir Deutschen, mit welchen Opfern an menschlicher Substanz dergleichen Zwangsgeborgenheit bezahlt wird. Für denjenigen, der nicht daran zweifelt, dass nur freiheitlich-rechtsstaatliche Wege zu gesichertem, menschenwürdigem Dasein führen, für den kann es auch keinen ernsthaften Zweifel daran geben, dass allein freiheitliche Traditionen bei diesem Beginnen helfen können. Solche Überlieferungen gibt es in der deutschen Geschichte in großer Zahl, wenn sie auch leider nur selten bestimmenden Einfluss gewannen.

Im Widerstand gegen den Nationalsozialismus finden sie zum ersten Mal zusammen und verkörpern sich in den vielen Frauen, Männern, Alten und Jungen aus allen Stämmen, Berufen, Schichten, aus fast allen politischen Lagern und Weltanschauungen. Die Breite dieser Traditionen entspricht dem Pluralismus, die gemeinsame Front gegen das Unfreiheitliche und die Entscheidung für das Menschliche den Aufgaben unserer Zeit. In ihrer Vielfalt des Herkommens, der Motive und des Verhaltens bieten sie jedem, der nicht totalitärem Denken verfallen ist, das ihm gemäße Vorbild.

Der Gedanke allerdings, den Soldaten der Bundeswehr in innerer Beziehung zum Widerstand zu sehen, hat von Anfang an vielfältige Bedenken ausgelöst. Wie sollten Streitkräfte – so fragen viele –, in deren Ethos Staatstreue eine zentrale Bedeutung haben muss, gerade im Widerstand, dass heißt im Kampf gegen die gesetzte Ordnung, geeignete Vorbilder finden? Dazu ist Folgendes zu sagen: Wir haben uns im Laufe der letzten 150 Jahre daran gewöhnt, dem Soldaten lediglich konservative Überlieferungen zuzubilligen. Es griff jedoch an die Wurzel ethisch verstandenen Soldatentums, als Hitler die Ordnung absolut setzte und damit – ganz unkonservativ – jeden sittlichen Maßstab leugnete. Diese Ordnung „der Normen auf Abruf“, wie sie neulich einmal genannt wurde, zersetzte allmählich alle menschlichen Beziehungen. Ihre letzte Konsequenz fand sie in der Buchhalterei der KZs und der Kameraderie ihrer Bewacher.

Eine ähnlich geartete Gewaltherrschaft lastet nach wie vor auf den Deutschen und den anderen Völkern jenseits der Demarkationslinie. Auch wir sind dieser Drohung nicht ein für allemal enthoben. Um eine nochmalige „Machtergreifung“ totalitärer Prägung zu verhindern, schloss sich die Bundesrepublik Deutschland der freien Welt an. Über den Wert ihrer Bundeswehr als Verteidiger des freien Teils eines geteilten Vaterlandes entscheidet der freiheitliche Geist ihrer Soldaten; nur er gewährleistet die Staatstreue, die heute trägt.

Andere Einwände kommen von Menschen, die den Soldaten noch immer im glanzvollen Gehege von ehedem sehen und ihn daher in einer rein militärischen Umwelt und Wertordnung halten möchten. Für sie gilt noch immer allein die Überlieferung der Kaserne, nur die Tradition des Schlachtfeldes, von dem fraglos leuchtende Vorbilder für Tapferkeit, Opfermut und entsagenden Gehorsam abzuleiten sind. Aber genügen diese Vorbilder in einer Zeit, da die Entscheidung täglich auf anderen „Schlachtfeldern“ als dem der militärischen Auseinandersetzung vorweggenommen wird; da in der Welt, aus der der Soldat kommt und die er verteidigt, die hergebrachten dynastischen Bindungen nicht mehr, die nationalen nur noch bedingt gelten; wo auch militärischer Krieg und soldatischer Kampf durch die Atomwaffen ganz anderen, zum Teil neuen Gesetzen unterliegen? Und hier eine sehr direkte Frage: War es nicht gerade die Tragik des Soldaten im Dritten Reich, dass sich diese Tugenden so missbrauchen ließen zum Unheil der Wehrmacht, des Volkes und der Welt, und muss nicht auch der Soldat nach Bezugspunkten außerhalb seines beruflichen Verantwortungsbereiches suchen, um nie wieder in die ausweglose Lage zu geraten, wo Verantwortung Ungehorsam, wo Treue zum Volk Untreue gegenüber dem Staat und wo Gewissen Widerstand fordert?

Bedenken entspringen endlich der Vorstellung – ich bin versucht zu sagen dem Wunschdenken –, als sei Überlieferung ein mechanischer Vorgang, der keinen Spielraum zur freien Entscheidung lasse: dass die Bundeswehr also ohne Weiteres alle Wesenszüge der Wehrmacht als Tradition aufnehmen müsse. Ein Blick in die Geschichte lehrte indessen, dass vitale, zukunftsbezogene Generationen ihre Vorbilder zumeist im Gegensatz zu ihren Vätern wählen. So ließen beispielsweise die preußischen Reformer vieles aus der Zeit Friedrichs des Großen fast unbeachtet, die Generation um Roon dagegen übersah geflissentlich des Königs liberale Haltung. Die Entscheidung für diese oder jene Tradition hat – das ist meine tiefe Überzeugung – wenig mit Gesichtspunkten der Vergangenheit, dagegen viel mit unseren Vorstellungen von Gegenwart und Zukunft zu tun. Traditionen sind nicht Selbstzweck noch Ornament; mit ihrem Angebot an beispielhaften Haltungen und Erfahrungen aus der Vergangenheit helfen sie Völkern, Gruppen, Berufen und Einzelnen, die Aufgaben von heute zu lösen.

Nach Lage und Aufgabe braucht die Bundeswehr Traditionen, die sie in selbstverständliche Beziehung zu den vielfältigen Problemen hochtechnisierter Streitkräfte inmitten einer Industriegesellschaft setzen, sie als Teil der Exekutive in den freiheitlichen Rechtsstaat einfügen und den Zugang in die internationale Zusammenarbeit öffnen. Dass bei diesem komplizierten Integrationsprozess weder vortechnisch-patriarchalische, nationalistische, obrigkeitsstaatliche noch totalitäre oder wertfreie Überlieferungen stützen können, liegt auf der Hand. Erlauben Sie mir, noch etwas zu verdeutlichen, was ich mir von freiheitlichen Traditionen für die Soldaten von heute und morgen verspreche.

„Einig sein und wieder aufbauen“, schrieb Leuschner einen Tag vor seiner Hinrichtung. Und als er zum Galgen geführt wurde, sagte er seinen – unseren – Gefährten in Zeichensprache nur das eine Wort „Einigkeit!“ Für den Bestand unserer pluralistischen Gesellschaft und unseres freiheitlichen Rechtsstaates ist es entscheidend, ob sich in allen Lebensbereichen und Institutionen Menschen finden, die klar erkennbaren Leitlinien folgen und sich beispielhaft mit bestimmten Verantwortungen identifizieren. Für solch ein Leben hält die Geschichte des Widerstands leuchtende Vorbilder bereit.

Soldaten fällt es infolge ihrer Berufstradition und Aufgabe schwer, den oft umständlichen und widersprüchlichen Prozess politischer Meinungsbildung und Entschlussfassung zu bejahen und die wachsame Kritik der Öffentlichkeit als notwendiges Korrektiv anzuerkennen. Im Blick auf die mögliche äußerste Gefahr sind wir geneigt, formale Ordnung und Einheitlichkeit als Werte an sich zu überschätzen. Hier sind die Erfahrungen des Widerstandes hilfreich, weil sie die Alternative zu unserer Grundordnung mit all ihren Konsequenzen für den Soldaten aufzeigen, aber auch veranschaulichen, welch beglückende Vielfalt die auf den ersten Blick so verwirrende Gesellschaft birgt.

Mit der Entscheidung für freiheitliche Traditionen schwindet das Unbehagen gegenüber dem bestürzenden Wandel unserer Zeit, der Weg zu positiven, vorwärtsgreifenden Lösungen öffnet sich. Damit wird auch jener eigentümliche Kulturpessimismus gegenstandslos, der die tiefe Wandlung der Lebensbedingungen und damit unseres Lebensgefühls so gern als Verfall deklariert und den Soldaten das verachten heißt, was gerade zu verteidigen ihm aufgetragen ist. Allein vom freiheitlichen Menschenbild her lässt sich die Diskussion über Erziehung und Ausbildung führen. Freiheitliche Erziehung reduziert nicht zum passiven Gehorsam, sondern entfaltet zur Mitverantwortung; sie macht nicht hörig, sondern mündig und entspricht damit den Anforderungen des aufgelockerten Gefechts technisierter Streitkräfte.

Im Verständnis rechtsstaatlicher Ethik stehen dem strengen Anspruch des Befehlenden auf unverzüglichen und gewissenhaften Gehorsam das Recht und die Pflicht zu Gehorsamsverweigerung gegenüber, wo Höheres auf dem Spiele steht. Dadurch wird soldatische Existenz für sittlich gegründete Menschen erst möglich. Sollte es sich erweisen, dass Sittlichkeit und Rechtsstaatlichkeit mit dem militärischen Sachzweck unvereinbar ist, dann stünden wir vor der erschreckenden Tatsache, dass der Soldat außerhalb der Ordnung steht. Zu dieser Frage gab Beck in seinem Aufruf an die militärische Führung folgende Antwort: „Es stehen hier letzte Entscheidungen über den Bestand der Nation auf dem Spiel. Die Geschichte wird diese Führer mit einer Blutschuld belasten, wenn sie nicht nach ihrem staatspolitischen Wissen und Gewissen handeln. Ihr soldatischer Gehorsam hat dort eine Grenze, wo ihr Gewissen und ihre Verantwortung die Ausführung eines Befehls verbietet.“

Wir müssen noch ein anderes sehen. Die Furchtbarkeit moderner Waffen hat den Krieg aus dem Instrumentarium vernünftiger Politik gestrichen. Damit fällt dem Soldaten die Abschreckung zu. Von seiner Entschlossenheit, notfalls den Angreifer mit in die totale Katastrophe zu reißen, hängt gegenwärtig der militärische Friede in Europa und damit die Existenz unserer Welt ab. Noch wird es manchem nicht leicht, diese Wandlung zu bejahen, zu begreifen, dass dieser hohe Grad an Verteidigungsbereitschaft entwickelt werden muss – ohne die Erwartung, das Gelernte anzuwenden und darin den Höhepunkt der soldatischen Laufbahn zu sehen. Hier wird ein schlichteres, subtileres Dienen, ein Verzichten auf äußerliches Prestige gefordert, das sich nur aus einem neuen Verhältnis an Verantwortung, Recht und Frieden leiten lässt.

Um uns noch einmal die Aktualität dieser Tradition für unsere Einfügung in das internationale Bündnis vor Augen zu stellen, möchte ich Goerdeler anführen, der in seinem Friedensplan vom Herbst 1943 den Zusammenschluss der europäischen Völker zu einem Staatenbund mit europäischer Wehrmacht fordert: „Jeder europäische Krieg ist glatter Selbstmord. Die Zeit ist reif, diesen idealen Gedanken in die Wirklichkeit zu übersetzen, weil mit ihm die realen Interessen übereinstimmen.“

Der Widerstand legt mache vor-, dass heißt übernationale Fundamente europäischen Völkerlebens wie Christentum, Humanismus, Naturrecht frei. Damit nahm er Traditionen auf, die einem zusammenwachsenden Europa angemessen sind. Dieser Aufstand, der im Grunde eine großartige – die deutsche Revolution für die Wiederherstellung des abendländischen Menschenbildes im technischen Zeitalter war, hat den unauflöslichen Zusammenhang von Politik und Ethik wieder ins Bewusstsein gehoben. Dadurch konfrontiert er uns mit der Grundfrage unserer Zeit, der alle Möglichkeiten – weltanschauliche und technische – zur physischen und psychischen Vernichtung der Menschheit in die Hand gegeben sind. Ich meine, wir Deutschen – Soldaten und Nichtsoldaten – haben allen Grund, stolz auf dieses Ereignis unserer Geschichte zu sein und mit Dankbarkeit auf diese Menschen zu blicken, die im tödlichen Gegensatz zu Zeitgeist, System und Umwelt ein Fanal für die Freiheit aufrichteten. Im Stolz auf diesen Aufstand der Gewissen gewinnen wir auch das rechte Verhältnis zur jüngsten Vergangenheit.

Selten in der Geschichte war es so schwer, sich über die bestimmenden Faktoren der Gegenwart klar zu werden; aber es war wohl auch noch nie so gefährlich, einem falschem Bilde zu folgen. Erinnerungen und Traditionen sind gewiss kein Zaubermittel zur Bewältigung des Lebens – am allerwenigsten in unserer Zeit. Doch scheint es mir für die Bestimmung des eigenen Standortes und zum Aufspüren neuer Möglichkeiten wesentlich, dass wir uns auf breiter Front und unter den verschiedensten Vorzeichen unseren Verantwortungen stellen.







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