Totengedenken

Feierstunde der Bundesregierung und der Stiftung 20. Juli 1944 am 20. Juli 2022 um 15:00 Uhr in der Gedenkstätte Plötzensee, Berlin, anlässlich des 78. Jahrestages des 20. Juli 1944


Wir gedenken unserer Toten!


Heute vor 78 Jahren starben in den Nachtstunden im Bendlerblock fünf deutsche Offiziere, die versucht hatten, gemeinsam mit anderen, Deutschland von Hitler und der Terrorherrschaft des Nationalsozialismus zu befreien. Sie waren am 20. Juli 1944 die Ersten, die sterben mussten:


-        Ludwig Beck
-        Friedrich Olbricht
-        Claus Schenk Graf von Stauffenberg
-        Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim
-        Werner von Haeften


Ihre Namen ehren wir auf der Gedenktafel im Ehrenhof der Stauffenbergstraße. Sie stehen stellvertretend für alle, die am Umsturzversuch des 20. Juli 1944 gegen den Nationalsozialismus beteiligt waren.


In dieser Stunde gedenken wir auch aller Menschen, die schon seit 1933 im Widerstand lebten und litten, oft einsam, auch entmutigt, angesichts des bedeutenden Widerhalls, den die nationalsozialistische Politik in unserem Volk wie auch weit über die Grenzen Deutschlands hinaus fand.


Im Geheimen und offen leisteten sie Widerstand.


Sie kamen aus allen Parteien der Weimarer Republik. Es waren Frauen und Männer aus den Gewerkschaften, es waren Unternehmer und Arbeiter, Beamte und Angestellte, Professoren und Studenten, Soldaten unterschiedlichster Dienstgrade sowie Frauen und Männer der Kirchen.


Es waren Menschen, die sich meist aus Glaubenstiefe wie aus ethischer Verantwortung widersetzt haben. Viele mussten nach ihrer Einkerkerung und den Qualen vor dem Volksgerichtshof oder den nationalsozialistischen Sondergerichten ihr Leben hingeben, oder sie wählten den Freitod, um nicht unter Folter ihre Freunde zu verraten. Viele wurden in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern ermordet.


Wir vergessen nicht die Menschen, die den Mut hatten, sich dem sinnlosen und vernichtenden Kriegstreiben Hitlers zu widersetzen und dieses mit ihrem Leben bezahlen mussten.


Wir denken an diejenigen, die Flugblätter verteilt oder auch auf andere Weise versucht haben, Menschen aufzurütteln und über die Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aufzuklären. Auch sie wurden deshalb zum Tode verurteilt.


Wir erinnern an die, die aus Nächstenliebe und aus Achtung vor der Würde des Menschen Juden sowie anderen Verfolgten wie auch ausländischen Kriegsgefangenen Schutz, Hilfe und Versteck gewährten und dafür ermordet wurden.


Wir denken an die Menschen, die gewagt hatten, eine Neuordnung Deutschlands nach dem Kriege zu entwerfen oder Verbündete im Ausland zu suchen und daher umgebracht wurden.


All diese Menschen wehrten sich gegen die Ideologie und Tyrannei der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. So rufe ich heute, am 20. Juli 2022, stellvertretend für alle, die den Mut hatten, sich zu widersetzen, in Erinnerung:


- Klaus Bonhoeffer
- Heinrich Burggraf und Graf zu Dohna-Schlobitten
- Judith Auer
- Wessel Freiherr Freytag von Loringhoven
- Hellmuth Stieff
- Elisabeth Schumacher
- Adolf-Friedrich Graf von Schack
- Joachim Meichßner
- Elisabeth Charlotte Gloeden
- Ewald von Kleist-Schmenzin
- Harro und Libertas Schulze-Boysen
- Nikolaus Graf Üxküll-Gyllenband


Auch denken wir an die Millionen Juden, die in den Vernichtungslagern ermordet wurden und all die anderen Menschen, die durch den NS-Terror dem Rassenwahn, der Willkür und der menschenverachtenden Kriegspolitik zum Opfer fielen.


Wir denken heute an zwölf Jahre schreckliches Leiden und Tod, beispiellos in ihrer Dimension.


Aber auch heute überziehen unverantwortliche Machthaber unsere Welt mit Krieg, Gewalt und Terror, gegen Menschen und Völker.


Wir denken hier heute ganz besonders an das Leiden der Menschen in der Ukraine und an die Unterdrückung in Belarus.


Umso lebendiger bleibt daher die Mahnung unserer Toten, Gewalt und Unrecht zeitig zu widerstehen. Umso lebendiger bleibt daher unsere Verpflichtung, für die Freiheit des Gewissens und die Freiheit der Meinung Andersdenkender einzutreten und diesen mit Respekt zu begegnen.


Umso lebendiger bleibt daher unser Auftrag, sich für die Würde des Menschen einzusetzen.


Eine Mahnung an uns Deutsche, aber auch an Europa und die Welt!


Wir denken an unsere Toten in Dankbarkeit und Stille.

Weitere Reden

20.07.2022
Dr. Klaus Lederer
Dr. Klaus Lederer
20.07.2022
Swetlana Tichanowskaja
Swetlana Tichanowskaja
20.07.2022
Dr. Robert Habeck
Dr. Robert Habeck
20.07.2022
Swetlana Tichanowskaja
Swetlana Tichanowskaja