„Denn der Tod ist der Sünde Sold; aber die Gabe Gottes ist das ewige Leben in Christo Jesu, unserm Herrn.“

Hans Böhm
„Denn der Tod ist der Sünde Sold; aber die Gabe Gottes ist das ewige Leben in Christo Jesu, unserm Herrn.“
Predigt von Propst Dr. Hans Böhm am 20. Juli 1958 in der Jesus-Christus-Kirche, Berlin



Denn nun ihr frei geworden seid von der Sünde, seid ihr Knechte geworden der Gerechtigkeit. Ich muss menschlich davon reden um der Schwachheit willen eures Fleisches. Gleichwie ihr eure Glieder begeben habt zum Dienst der Unreinigkeit und von einer Ungerechtigkeit zu der andern, also begebet auch nun eure Glieder zum Dienst der Gerechtigkeit, dass sie heilig werden. Denn da ihr der Sünde Knechte waret, da waret ihr frei von der Gerechtigkeit. Was hattet ihr nun zu der Zeit für Frucht? Welcher ihr euch jetzt schämet; denn ihr Ende ist der Tod. Nun ihr aber seid von der Sünde frei und Gottes Knechte geworden, habt ihr eure Frucht, dass ihr heilig werdet, das Ende aber das ewige Leben. Denn der Tod ist der Sünde Sold; aber die Gabe Gottes ist das ewige Leben in Christo Jesu, unserm Herrn.
(Röm. 6, 18-23)


Liebe Brüder und Schwestern!


Gestern waren wir mit den Angehörigen der Opfer des 20. Juli 1944 zusammen in Plötzensee im Gefängnis, an der Stätte des Grauens, wo viele der Opfer von jenem Tage ihr Leben lassen mussten. Wir haben an unsere Brüder und Schwestern gedacht, die damals von uns gerissen wurden durch den Schlächter. Wir haben gleichzeitig mit den Angehörigen, die da waren, an die anderen gedacht, die an diesem Tage nur mit ihren Gedanken bei uns sein konnten. Und, liebe Brüder und Schwestern, wir wollen auch an die anderen in unserem Volk wie auch außerhalb unseres Volkes gedenken, die auch ihrer Opfer gedenken. Denn solche Stätten des Grauens, wie wir gestern eine gesehen haben, gibt es viele in unserem Vaterland und rund um unser Vaterland, und es gibt viele Menschen auch in anderen Völkern, die in diesen Tagen ihrer Toten und der Brüder und Schwestern gedenken, die sie in jener Zeit der Jahre 1933 bis 1945 verloren haben.


Wir werden auch nicht vergessen, liebe Brüder und Schwestern, dass es unter uns in Deutschland eine Art Tyrannei gibt, die Menschen in ihrem Gewissen und in ihrer Seele knechtet, so dass viele unter ihnen nach Hilfe schreien, nach Rettung ausblicken. Wir wollen auch ihrer heute in Fürbitte gedenken als Glieder einer Kirche; denn so einer eine Last trägt, so sind wir als Glieder gefordert, die Last mit ihm mitzutragen.


Von einem von uns, der uns einst Bruder und Kamerad war, einem von denen, auf die gestern unsere Gedanken gerichtet waren und vielleicht auch heute in dieser Stunde gerichtet sind, unserem Bruder Bonhoeffer, ist vor einigen Jahren ein Gedichtband herausgekommen mit dem Titel „Auf dem Wege zur Freiheit”. Als er in Berlin ins Gefängnis kam, ehe er in die Prinz-Albrecht-Straße eingeliefert wurde und ehe er von dort seinen Weg nach Flossenbürg nahm und dort sein Ende fand, hat er in einer Zelle in einsamer Nacht nach dem Sinn seines Opfers gefragt. Und als Antwort hat er ein Gedicht geschrieben, das von der Freiheit handelt, von der Freiheit, die dem Menschen geordnet und auch geboten ist. Diese Freiheit beginnt damit, dass er sich selbst in Zucht nimmt. So fängt er an: Freiheit des Menschen in der Zucht, und spricht dann von der Freiheit, die der Mensch hat im Wagemut, im mutigen Handeln, um aus dem bloßen Sinnieren herauszukommen, und er fasst dann die Freiheit im Leiden ins Auge. Am Ende ist dieses Gedicht von den „Stationen auf dem Wege zur Freiheit“ überschrieben mit dem Wort „Tod“. Er sah schon damals, ehe er in die Prinz-Albrecht-Straße kam, den Tod vor Augen. Und wenn er das Ende betrachtet, dann lautet der Vers, den er schrieb: Freiheit, dich suchten wir lange in Zucht und in Tat und in Leiden. Sterbend erkennen wir nun im Angesicht Gottes dich selbst.


Liebe Brüder und Schwestern! Er hat damals gewusst, von Freiheit kann der Mensch nur reden, wenn er zugleich von Gott redet, der ihn in diese Welt gesetzt hat in seiner Freiheit und der ihn auch am Ende abberuft, und wiederum in seine Freiheit. Nun haben wir eben den Text gehört, der aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer stammt, wo Paulus auch über die Freiheit spricht. Man könnte diesen Text überschreiben mit dem Wort „Das Hohelied der Freiheit“. Dieser Text, wo Paulus von der Freiheit eines Gotteskindes spricht, erinnert uns an jenes Buch Martin Luthers, das die Überschrift trägt „Von der Freiheit eines Christenmenschen“.


Paulus gibt uns in diesem Text drei Dinge zu bedenken, wenn wir über die Freiheit nachdenken. Gott gibt dir Freiheit – das ist das Erste. Das Zweite: Und du sollst dir diese Freiheit nicht nehmen lassen. Und das Dritte: Und Gott schenkt dir die Frucht solcher Freiheit.


Paulus beginnt unseren Text mit den Worten: „Denn nun ihr frei geworden seid von der Sünde, seid ihr Knechte geworden der Gerechtigkeit“. Ihr seid frei geworden. Paulus beginnt also diesen Text nicht mit einem Aufruf an uns: Werdet frei, kämpft um eure Freiheit! Sondern er beginnt mit einer Feststellung: Ihr seid frei, ihr seid frei geworden, und seit ihr frei geworden seid, seid ihr gebunden, seid ihr Knechte. Ihr seid frei! In demselben Kapitel hat Paulus sich auch über den Ursprung unserer Freiheit ausgesprochen. Dort steht auch die Aussage über die Taufe und den Tod. Das ist das berühmte Kapitel 6 des Römerbriefes. Dort steht das Wort: „Wisset Ihr nicht, dass alle, die wir auf Jesus Christus getauft sind, in seinen Tod getauft sind?“ Dann fährt er fort, näher auszuführen, was es eigentlich heißt, in seinen Tod hinein getauft zu sein. Das heißt, dass wir in diesen Jesus Christus eingeleibt sind, dass wir in dem Akt der Taufe seiner Herrschaft übergeben worden sind. Wir haben damals als eben geborenes Kind noch kein Wort gesprochen und noch keine Tat getan. Unsere Eltern und Paten haben uns zur Taufe gebracht, und dann ist dieses Geheimnis über uns geschehen. Über uns ist eine Entscheidung gefällt worden – von Gott, nicht von uns, nicht von den Eltern, auch nicht von den Paten. Gott selber hat diese Entscheidung gefällt, dass er uns diesem Jesus Christus in die Arme gegeben hat. Von diesem Tage an ist er unser Herr, und wir sind seine Knechte, seine Kinder; er hat zu gebieten, und wir haben zu glauben und zu gehorchen.


Das ist das Geheimnis der Taufe, und mit dieser Taufe, liebe Brüder und Schwestern, ist unsere Freiheit gegeben. Denn nun heißt es: Ihr seid frei geworden von der Sünde, d.h. von jener Macht, die unsichtbar ist und die doch die Menschen in Ketten und Fesseln schlägt, an denen der Mensch seit Adams Zeiten rüttelt. Gott aber hat sich des Menschen erbarmt und hat Jesus Christus geschickt, um uns frei zu machen, um uns auf den Weg, auf die Straße der Freiheit zu setzen. Darum ist der erste Satz des Paulus kein Aufruf, sondern eine Feststellung, die wir nur mit großem Dank und mit großer Freude hören können, die Feststellung, dass Gott uns in der Taufe frei gemacht hat.


Liebe Brüder und Schwestern, ich glaube, dass es gerade in dieser Stunde gut und nützlich ist, wenn wir uns alle dieses Ursprungs unserer Freiheit erinnern in einer Zeit, wo wir als Christenmenschen um unsere Freiheit zu ringen haben, wo gerade hier in unserem Raum die Freiheit gefährdet ist für uns, für unsere Kinder, für alle, die unter dem Anruf leben wollen, den die Taufe an uns stellt, nämlich leben wollen als Christen und auch sterben wollen als Christen.


Die Welt des Atheismus versucht, die christliche Bastion der Taufe vor Kindern und Eltern einzureißen und an ihre Stelle etwas zu setzen, was Menschengeist ersonnen hat, ganz gleich, ob das nun Namengebung oder Jugendweihe oder sonst wie heißen mag. Hier gilt das Wort des Paulus, das uns in die Freiheit gesetzt hat: Ihr seid frei!


Nachdem wir das gehört haben, liebe Brüder und Schwestern, müssen wir nun auch den zweiten Satz hören: Diese Freiheit ist ganz gewiss ein Geschenk, aber die Freiheit, die Gott gibt, ist zugleich eine Verpflichtung, eine Bindung für uns, die wir dieses Geschenk empfangen haben. Ihr, die ihr frei seid, nun bleibet in der Freiheit! Paulus spricht also in dem Sinne: Ihr seid frei geworden von etwas, ihr seid frei geworden von den Fesseln der Sünde, und nun seid ihr durch dieses Freiwerden Knechte der Gerechtigkeit Gottes. Dieses „frei von“ wird also zu einem „frei zu etwas“, frei zu einer Bindung für etwas. Hier gebraucht Paulus, um uns das verständlich zu machen, ein Bild. Er spricht vom Leib, er spricht von den Gliedern des Leibes. Ihr habt viele Glieder: Auge, Ohr, Hand, Arm, Fuß, und doch sind sie alle in den Leib vereinigt. Und wenn er so von Gliedern spricht, dann spricht er zugleich von der Bindung, die uns damit auferlegt ist. Er kann ja doch nicht von den Gliedern am Leibe der Kirche sprechen, ohne dass wir mitsprechen müssen, dass es ein Haupt der Kirche gibt und dass wir als seine Glieder mit diesem Haupt auf das allerengste verbunden sind. Haupt und Glieder – das ist das Wesen der Kirche, neben dem Geheimnis der Taufe das Geheimnis der Kirche, ein Geheimnis, in dem Christus selber im Zentrum als das Haupt seiner Kirche ist. Ihr, die ihr frei geworden seid, seid nun Knechte, nun lasst euch aus dieser Freiheit nicht herausholen.


Liebe Brüder und Schwestern! In diesem Wort hat auch das heutige Gedenken und das Gedenken an die Brüder und Schwestern, die für uns und für unser Volk und für die Welt ihr Leben gegeben haben, seinen Ursitz. Wenn Bonhoeffer sich in dunkler Nachtstunde fragte: „Wo liegt eigentlich der Sinn meines Opfers?“, so ist es hier gegeben, dass wir als Glieder am Leibe Christi nunmehr in der Bindung sind, nicht mehr, wie Paulus sagt, in der Bindung an das Böse, dass wir nun nicht mehr jener Macht verhaftet sind, die uns von einer Stunde zur andern und immer neu zum Unrecht, zur Unreinigkeit führt, deren Ende der Tod, die Scham und die Verzweiflung ist, sondern in der Bindung, die nun seit der Taufe an uns geschehen ist, dass wir diesem neuen Herrn verpflichtet sind in dem, was wir zu denken haben, und in dem, was uns zu tun geboten ist. Ja, seit diesem Tage gibt es ein Gebot für uns, das Gebot, ihm zu dienen, für ihn da zu sein, im Gebet, im Gedanken und im Wort da zu sein, da zu sein in der Tat und auszurichten, was er uns gebietet, er, der uns mittels seines Geistes, der der Heilige Geist ist, den auch niemand sehen kann, den man aber im Herzen und im Gewissen verspürt als einen Zwang, der von oben kommt, helfen muss, das zu tun, und wenn alles dagegen spricht, alle Augenblicksüberlegungen, alle Rücksichten auf die Familie, auf den Beruf, auf die Freunde und auf die Zukunft. Da ist dieser innere Zwang, dieser innere Beruf, den mir der Heilige Geist gibt durch Christus, an den ich gebunden bin und ohne dass ich ihn vielleicht kenne, ohne dass ich mir davon selber Rechenschaft geben könnte, dass er es ist. Dieser Zwang ist da und treibt mich bis zur Angst, das zu tun, was das Glied hier tun muss, ob es nun Hand oder Fuß ist, nämlich auszuführen, was über ihm verordnet ist durch die himmlische Macht, mögen wir sie Gott nennen, mögen wir sie Christus nennen. Es ist dieselbe Macht, die nach uns greift von oben her, die auch in den anderen ist, die ihr Leben geopfert haben und die mit uns verbunden sind und verbunden bleiben im Erleiden dessen, was uns verordnet ist.


Dass wir unter solchem Gebot stehen, ist hart und ist doch zugleich die Gnade und die Freude und der Sinn unseres Lebens. Denn dieses Gebot der Freiheit, von Gott gegeben, ist ein Gebot, das Verheißung hat. Paulus redet im dritten Satz unseres Textes von der Frucht der Freiheit. Die Heilige Schrift hat an zwei Stellen ein besonderes Wort über unser Leben. Wenn wir an unser Ende, an den Tod denken, dann ist es das Wort der Offenbarung des Johannes, wo es heißt: Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. Das ist in einer Zeit und in einer Welt gesprochen, wo die neu gewordene Gemeinde der Christen im Kampf mit der Umwelt war, wo sie die Anfechtung trug, die ihr das Römische Reich und seine Richter, seine Soldaten und seine Schergen boten. Sei getreu bis an den Tod! Die Gemeinde hat das oft genug erdulden müssen und sich dessen trösten müssen und dürfen, dass hier die Offenbarung des Johannes schreibt: So will ich dir die Krone des Lebens geben. Wörtlich übersetzt heißt es: den Siegespreis – nicht dem sogenannten Sieger, dem Mächtigen, dem Überlegenen, nein, dir, du arme Gemeinde, du angefochtene, du gepeinigte, du zum Tod geführte Gemeinde, dir will ich den Siegespreis geben.


Das, was die Offenbarung des Johannes im Blick auf diese angefochtene Christenheit in diesem Wort zum Ausdruck bringt, hat nun der Apostel Paulus im Römerbrief in einem anderen Bilde bewahrt. Er spricht in dem Schlussvers unseres Kapitels von der Frucht. Was für eine Frucht habt ihr damals gehabt, als ihr von dieser Befreiung als Heidenmenschen noch nichts wusstet? Damals wart ihr preisgegeben an die dunkle Macht, der ihr mehr oder weniger gefolgt seid. Was war das für Frucht? Es war am Ende eine solche, der ihr euch heute schämen müsst. Auf dem Wege, den ihr da gegangen seid, seid ihr dem Tod begegnet als der Sünde Sold. Das Wort „Sold“ hier stammt aus der Soldatensprache. Das griechische Wort bedeutet eine Überbesoldung, eine Zusatzbesoldung, die der Soldat bekommt wegen Erfüllung oder Übererfüllung seines Solls. Nun, wir kennen diese Form des Soldes für denjenigen, der auf diese Weise gehorsam seiner Obrigkeit folgt, alle ganz genau – die Erfüllung des Solls, damals 1933 und auch heute wieder unter uns. Es wird das Soll erfüllt, ganz egal, was das Gewissen dazu sagt.


Und dafür gibt es auch einen Lohn. Von diesem Lohn sagt der Apostel Paulus: Der Tod ist der Sünde Sold. Solange wir noch leben, scheint es erträglich, sogar gut und nützlich zu sein, dass unser Ehrgeiz auf solch ein Ziel ausgerichtet ist. Aber es kommt der Tag und kommt die Stunde, die uns diesen Lohn, diesen Sold vorhält, womöglich in der Hand, ganz bestimmt aber im Gewissen und ganz bestimmt am letzten Tage.


Und nun der Lohn und die Frucht, die Paulus seiner Gemeinde verheißt! Frucht – das ist nun das Bild von der Pflanze, die eingepflanzt ist. Dieses Bild gebraucht Paulus im Anfang dieses Kapitels, wenn er sagt: Ihr seid solche, die in den Tod Christi eingepflanzt werden. Wir sehen, dass Blüten hervorgehen. Nun, es gibt herrliche Blüte, aber Blüte, die abfällt und zertreten wird und dadurch wirkungslos und wesenlos bleibt. Der Baum, der eingepflanzt ist, hat seinen Lohn darin. Wenn keine Frucht aus der Blüte kommt, ist der Baum vergebens gewesen. Der Gärtner wird nach der Frucht sehen. Um diese Frucht geht es in dem Augenblick, wo du getauft bist, wo Gott dich in seiner Freiheit eingepflanzt hat als seinen Baum. Da schaut er schon nach dir aus: Wie wird die Frucht dieses Baumes sein? Wird es verlorene Frucht sein, die zertreten werden kann, oder wird es Frucht sein, an der sich Menschen und Engel freuen? Wird es die Vollendung dessen sein, was in der Taufe begonnen hat?


Der Tod ist der Sünde Sold; aber die Gabe Gottes ist das ewige Leben. Die Frucht, um die es hier geht, kannst du dir nicht selber erringen durch Leistung, sondern sie wird geschenkt; das ist Gabe, so wie es Gabe war, dass du getauft worden bist, dass du dadurch Jesus Christus begegnet bist und er dich angenommen hat. So wird es Gabe sein, wenn Gott dir seine Frucht gibt: das ewige Leben, nicht das Leben, das wir allein hier zu leben haben und das den Tod zum Ziel hat, sondern das ewige Leben, das uns durch Jesus Christus gegeben wird, dem wir hier mit der Taufe gehörten und den wir schon hier in unseren Arbeiten, in unseren Willensakten und in unserem Sehnen bekennen dürfen als unseren Herrn und der uns wieder begegnen wird am Jüngsten Tage als der, der uns einst frei gemacht hat und uns nun am Ende ganz in die Freiheit setzen wird.


Liebe Brüder und Schwestern! Zum Schluss möchte ich eine kurze Erinnerung hier sagen. Vor wenigen Wochen sind wir, einige Brüder aus Berlin und der Bundesrepublik, als Abgesandte nach Warschau geschickt worden, um die Einweihung der evangelischen Trinitatiskirche in Warschau mitzuerleben. Unter diesen Abgesandten war auch unser Kirchentagspräsident Dr. von Thadden-Trieglaff. Wir beide sind dann im Anschluss an diese Feierlichkeiten in Warschau mit seinem Wagen durch Land gefahren, zunächst durch Polen und dann durch Ostpreußen. Dann kamen wir nach Pommern. Dort haben wir die Heimat unseres Bruders von Thadden besucht, sein Gut und Schloss, das nun in fremden Händen ist. Dann sind wir auch auf den Friedhof neben seinem Gut gegangen. Vor diesem Friedhof, auf dem viele Ahnen seiner Familie liegen, auf dem einst auch Bismarck gewesen ist und manche waren, die wir aus der Geschichte unseres Volkes kennen, steht ein Tor. Wer durch dieses Tor eintritt, der stößt mit seinen Augen auf zwei Sprüche. Der eine ist der Spruch aus dem Evangelium des Johannes: Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe. Auf der Rückseite steht ein anderes Wort. Da steht dieses Wort aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer: Der Tod ist der Sünde Sold; aber die Gabe Gottes ist das ewige Leben in Jesus Christus, unserm Herrn.


Thadden selbst hat uns dann, als wir durch das Tor hindurchgingen und diese Sprüche in uns wirken ließen, noch manches Persönliche von seinen Vorfahren gesagt. Ihr könnt euch denken, liebe Brüder und Schwestern, dass wir in diesem Augenblick auch an seine Schwester gedacht haben, Elisabeth von Thadden, an die wir auch jetzt an diesem Tage des 20. Juli gedenken als eines der Opfer, die damals gefallen sind. Diese frommen Vorfahren unseres Bruders von Thadden haben durch diese Worte an diesem Tor, durch das man hindurchgeht, zum Abschied bezeugen wollen: Das, was dort steht, ist unser eigenes Bekenntnis, ist unseres Lebens Grund, und das möge auch unseres Lebens Ziel und Frucht sein, wenn wir einst von hier scheiden müssen.


Aber das Schönste an diesen Sprüchen ist dies, dass zu diesen Worten des Neuen Testaments diese Vorfahren ein eigenes Wort an uns geschrieben haben. Hinter dem Wort „Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe“ steht auf einmal der Satz: Glaubst du das? Und ich frage jetzt uns alle, die wir uns in dieser Stunde vor Gottes Antlitz geprüft haben nach dem Sinn unseres Daseins, nach dem Sinn unseres Endes: Glaubst du das? Und welche Antwort gibst du?


Amen.