Der Gedanke der freiheitlich-demokratischen Staatsordnung

Hans-Jochen Vogel

Der Gedanke der freiheitlich-demokratischen Staatsordnung

Begrüßungsansprache des Oberbürgermeisters von München Dr. Hans-Jochen Vogel am 19. Juli 1960 im Alten Rathaussaal, München

Morgen, am 20. Juli 1960, jährt sich zum 16. Male der Tag, an dem Deutsche aller politischen Richtungen und aller Konfessionen aufstanden, um ihr Vaterland in letzter Stunde von einem verabscheuungswürdigen Gewaltregime zu befreien und so vor dem Absturz in den Abgrund zu retten. Sie haben sich als gemeinsame Gäste der Akademie für Politische Bildung und der Landeshauptstadt München hier eingefunden, um dieses Tages zu gedenken und aus diesem Anlass einen Vortrag von Herrn Prof. Dr. Romano Guardini über das Thema „Freiheit“ zu hören. Im Namen der Stadt darf ich Sie herzlich willkommen heißen.

Mein Gruß gilt weiter der Akademie für politische Bildung und ihrem Direktor. Es ist nicht alltäglich, dass sich die Akademie und eine Stadtverwaltung zu gemeinsamer Arbeit zusammenfinden und ich glaube, es ist das erste Mal in der Geschichte der Akademie, dass ihr Direktor und ein Oberbürgermeister gemeinsam zu einer Veranstaltung eingeladen haben. Dabei liegt ein solches Zusammenwirken eigentlich auf der Hand. Nach dem Gesetz über ihre Errichtung hat die Akademie die Aufgabe, die politische Bildung in Bayern auf überparteilicher Grundlage zu fördern und zu vertiefen. Die Akademie dient dabei der Festigung des Gedankenguts der freiheitlich-demokratischen Staatsordnung. An dem gleichen Ziel sind die Städte, ist vor allem die Landeshauptstadt München auf das lebhafteste interessiert. Denn wie könnte demokratische Selbstverwaltung existieren, wie kann Bürgerbewusstsein gedeihen, wie kann sich das Gefühl der Verantwortlichkeit jedes einzelnen Bürgers für die Geschichte seiner Stadt entfalten, wenn das Gedankengut der freiheitlich-demokratischen Staatsordnung nicht in den Sinnen und Herzen der Menschen verwurzelt ist. Gerade als Oberbürgermeister kann ich der Akademie für Politische Bildung daher nur den besten Erfolg wünschen und sie ermuntern, auch künftig den Kontakt mit den Städten zu suchen. Die Landeshauptstadt ist jedenfalls bereit, diesen Kontakt zu pflegen.

Mein Gruß gilt schließlich Ihnen, hochverehrter Herr Professor, der Sie mit unserer Stadt besonders eng verbunden sind. Stehen Sie doch als Träger der Goldenen Ehrenmünze der Stadt München in einer Reihe mit so bedeutenden Münchner Gelehrten und Künstlern wie Prof. Dr. Pfitzner, Geheimrat Prof. Theodor Fischer, Prof. Karl von Goebel, Siegmund von Hausegger, Dr. Joseph Hans und Geheimrat Dr. Riemerschmid.

Ein letztes Wort. Es mag manchen verwundert haben, dass die Stadt zu einem Vortrag einlädt, der dem Gedächtnis des 20. Juli gewidmet ist. Stadt - das ist doch etwas, was Steuern einhebt, Strom liefert und Straßen baut. Nein, meine Damen und Herren - Stadt ist gerade in München mehr, ist bürgerliche, geistige und damit auch kulturelle Gemeinschaft. Der Wert einer solchen Gemeinschaft ist abzulesen an dem Wert der Männer die sie ehrt und deren Andenken sie pflegt.

Lassen Sie uns den heutigen Abend in diesem Sinne verstehen!







Weitere Reden

19.07.1960
Prof. Dr. Dr. h.c. Romano Guardini