Ein Beitrag „Gegen das Vergessen“

Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Barbara Hendricks

Ein Beitrag „Gegen das Vergessen“

Rede der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen Dr. Barbara Hendricks am 6. März 2007 in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin aus Anlass der Präsentation des Sonderpostwertzeichens „100. Geburtstag Claus Schenk Graf von Stauffenberg und 100. Geburtstag Helmuth James Graf von Moltke“

Zum 100. Geburtstag von Claus Schenk Graf von Stauffenberg und von Helmuth James Graf von Moltke hat das Bundesministerium der Finanzen eine Sondermarke herausgegeben. An die besondere Bedeutung dieser beiden Persönlichkeiten soll damit erneut erinnert werden. Einen Beitrag „gegen das Vergessen“ zu liefern, ist dem Bundesfinanzministerium weiterhin ein wichtiges Anliegen.

Durch diese Erinnerung bleiben wir wachsam, um unsere freiheitliche, demokratische und rechtsstaatliche Grundordnung zu bewahren und zu fördern. Jeder Mensch, jede Gruppe, jede Bewegung, die diese Grundordnung angreift oder gefährdet, soll im Keim erstickt, ausgegrenzt und öffentlich angeprangert werden.

Graf von Stauffenberg und Graf von Moltke stehen für viele Menschen, die im Widerstand gegen das Terrorregime Hitlers ihr Leben lassen mussten. Menschen mit unterschiedlichen Lebensgeschichten, Auffassungen und Verantwortungen. Dies wird in der hier gezeigten Ausstellung besonders deutlich.

Claus Graf Schenk von Stauffenberg hat - wie sein Vater - eine militärische Bilderbuchkarriere gemacht. 1926 trat Stauffenberg in das traditionsreiche Reiterregiment 17 in Bamberg ein und bestand die Offiziersprüfung als Jahrgangsbester. 1933 wurde er zum Leutnant ernannt, 1938 zum Zweiten Generalstabsoffizier und 1943 zum Stabschef des Allgemeinen Heeresamts in der Berliner Bendlerstraße. Stauffenberg übte im Zweiten Weltkrieg zunächst nur militärfachliche Kritik an der Führung. Durch den Holocaust und die Massenmorde nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion erkannte er den verbrecherischen Charakter des Nationalsozialismus. Er schloss sich dem militärischen Widerstand an. Am 20. Juli 1944 übernahm er zwei schwer zu vereinbarende Aufgaben: am Mittag wollte er das Attentat auf Hitler im fernen Ostpreußen, am Nachmittag die Organisation des geplanten europaweiten militärischen Staatsstreichs im Berliner Bendlerblock durchführen. Dieser Plan, der für Millionen von Menschen das Überleben hätte sichern können, scheiterte jedoch. Mit einigen seiner Mitverschwörer wurde Graf Stauffenberg in der Nacht zum 21. Juli 1944 auf dem Hof des Bendlerblocks erschossen. Er hinterließ seine Frau und fünf Kinder.

Helmuth James Graf von Moltke wurde am 11. März 1907 als Sohn eines Gutsbesitzers auf Schloss Kreisau geboren. Seine Mutter vermittelte ihm weltbürgerliche und freiheitliche Werte. Er studierte Jura in Deutschland und England und erwarb in beiden Ländern die Anwaltszulassung. 1931 heiratete er die Kölner Bankierstochter Freya Deichmann, mit der er zwei Söhne hatte. Mit dem Juristen Peter Graf Yorck von Wartenburg entwickelte sich ab 1938 ein intensiver Austausch über politisch – philosophische Grundfragen von Staat und Gesellschaft. Es wurde die Urzelle des Kreisauer Kreises, für den Moltke immer neue Freunde und Fachleute für Probleme von Ethik und Recht, Politik und Ökonomie gewann. Moltke führte mit seinen Freunden nicht nur in Kreisau, sondern auch in Berlin viele Gespräche. Kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs zum Kriegsverwaltungsrat ernannt, war er in Berlin als Sachverständiger für Kriegs- und Völkerrecht im Amt „Ausland/Abwehr“ des Oberkommandos der Wehrmacht tätig. Gemeinsam tagten Moltke und seine Weggefährten 1942/1943 dreimal in Kreisau und verabschiedeten Grundsatzpapiere über den künftigen Staatsaufbau, die Bestrafung nationalsozialistischer „Rechtsschänder“ und den föderativen Aufbau einer Europäischen Gemeinschaft mit überstaatlicher Souveränität. Anfangs lehnten die Kreisauer ein Attentat auf Hitler ab. Später zogen sie diese Möglichkeit als Auslöser eines Umsturzes in Betracht und nahmen aktiv Verbindungen zum militärischen Widerstand um Graf Stauffenberg auf. Am 18. Januar 1944 wurde Graf von Moltke festgenommen, im Januar 1945 wegen Hochverrats zum Tode verurteilt und am 23. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

Widerstand - dieses Wort geht uns heute ziemlich leicht über die Lippen. Für die Menschen damals, die in verantwortlichen Positionen ihren Dienst taten, bedeutete Widerstand eine existentielle Zerreißprobe. Als Staatsdiener fühlten sich Stauffenberg und Moltke an ihren Treueeid und damit zum Gehorsam gegenüber den Machthabern verpflichtet. Daher taten sie sich zunächst schwer damit, ihrem Gewissen mehr zu folgen als ihren übertragenen Aufgaben im Staatsdienst. Mit vielen anderen litten sie lange unter dem Widerspruch, sich aus Patriotismus und Humanität gegen das stellen zu müssen, was immer noch sehr viele für das „nationale Interesse“ hielten. Mit dem von Hitler herbeigeführten Krieg verschärfte sich dieser innere Konflikt. Die Frage, ob der Umsturzversuch einem Landesverrat gleichkam, wurde nicht nur von Mitgliedern des Widerstands gestellt. Sie wurde auch noch in den Anfängen der Bundesrepublik Deutschland heftig diskutiert. Stauffenberg hat diesen Konflikt in folgende Aussage gefasst:

„Derjenige allerdings, der etwas zu tun wagt, muss sich bewusst sein, dass er wohl als Verräter in die deutsche Geschichte eingehen wird. Unterlässt er die Tat, so wird er zum Verräter vor seinem eigenen Gewissen.“

Heute ist klar, dass die Widerstandshandlungen im Zusammenhang mit dem 20. Juli 1944 kein Verrat an Deutschland waren, sondern eine Befreiung bedeuteten. Die Handlungen der Aufständischen waren nicht nur gerechtfertigt, sondern auch notwendig. Die Ehefrau von Helmuth James Graf von Moltke, Freya von Moltke, hat es einmal so ausgedrückt:

„Jede Form und jeder Akt des Widerstands gegen den Nationalsozialismus hat sich gelohnt. Nichts davon war vergeblich. Jede Handlung gegen das schreiende Unrecht der nationalsozialistischen Diktatur hat Bedeutung. Es hat sich gelohnt, weil der deutsche Widerstand europäische Menschlichkeit durch die Jahre der Unmenschlichkeit in Deutschland lebendig gehalten hat.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

mit dem Sonderpostwertzeichen zum 100. Geburtstag der Grafen Stauffenberg und Moltke gedenken wir dieser beiden Männer des Widerstandes und mit ihnen aller, die gegen Hitler und sein Unrecht aufgestanden sind.

Graf von Moltke und Graf von Stauffenberg haben sich nicht als Helden gesehen, sich auch nicht als etwas Besonderes herausgestellt. Sie sind ihrem Gewissen gefolgt und haben das Wohl der Menschen im Blick gehabt. So entspricht die dokumentarische Gestaltung der Briefmarke dem verantwortlichen Handeln von Stauffenberg und Moltke, das sie selbst auch als „schlichte Notwendigkeit“ eingeordnet hätten. So verschieden die beiden Persönlichkeiten waren, so verschieden sind auch die beiden Portraits auf der Marke. Der hohe Preis für ihren persönlichen, mutigen Einsatz zeigt sich in der farblichen Hervorhebung der Lebensdaten und wird mit den Begriffen „erschossen“ bzw. „hingerichtet“ thematisiert. Insgesamt schafft die schlichte Gestaltung der Briefmarke einen würdevollen Rahmen für diese beiden außergewöhnlichen Persönlichkeiten der deutschen Geschichte.

Die Briefmarke wurde von der Grafikerin Irmgard Hesse aus München gestaltet, die mit ihren anspruchsvollen Arbeiten schon seit Jahren zur hohen grafischen Qualität der deutschen Briefmarken beiträgt.

Die Sondermarke hat den für einen Standardbrief maßgebenden Wert von 55 Cent und wurde in einer Auflage von 6,6 Millionen Stück gedruckt. Die Marke liegt seit dem 1. März 2007 an allen Postschaltern und bei allen Postagenturen zum Verkauf bereit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich freue mich, nun die Erstdrucke der Sondermarke überreichen zu dürfen









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