"Er liebte die in der Welt waren bis ins Ziel."

Gedenkstaette Deutscher Widerstand

Karl Steinbauer

"Er liebte die in der Welt waren bis ins Ziel."

Gedenkwort von Pfarrer Karl Steinbauer am 9. April 1970 in der evangelischen Kirche von Flossenbuerg

Vom Bundesrat der Bayrischen Pfarrbruderschaft beauftragt, soll ich in dieser Stunde ein Wort sagen, und ich will versuchen, es an einem Wort der Schrift zu entfalten. Es ist ein sehr seltsames Wort aus dem Johannes-Evangelium. Dort sagt der Herr: "Die Welt kann euch nicht hassen; mich aber hasst sie, denn ich zeuge von ihr, dass ihre Werke boese sind." Wer dem Herrn Christus begegnete, war durch seine Person, sein Denken, Reden und Handeln zur Entscheidung gerufen. Mit seinem gehorsamen Denken und Handeln, mit der Liebe zum Vater deckte er unumgaenglich den Ungehorsam der Menschen auf, "ihre boesen Werke", wie es hier heisst. Er deckt sie auf zur Genesung, wer sich die heilsame Gnade Gottes gefallen laesst, oder zum Hass des Verderbens. Hass ist ja offenbar der nicht ueberbietbare Ausdruck des Verderbens. Hass will recht haben gegen andere. Hass will auch recht haben gegen den Gott der Liebe, der in Christus auf uns zukommt. Im Hass wird pervertiert offenbar, dass es bei der Begegnung mit Christus, der personifizierten Liebe Gottes, keinen Kompromiss gibt.

Nicht immer war die Gemeinde Jesu Christi tuechtig, so, d.h. durch die Verkuendigung und das Ausleben der Liebe Gottes zur Entscheidung zu rufen, zur Entscheidung zu dem alleinigen Heil fuer die Welt in Christus. Wenn es recht zugeht, muss diese Entscheidungskraft am Zeugnis der Gemeinde sichtbar werden, sichtbar werden an dem empfangenen Hass. Nach Luther ist nicht nur dies Zeichen der Kirche, dass recht gelehrt und die Sakramente recht gebraucht werden, sondern er sagt in bezeichnender Weise dazu, zum Zeichen der Kirche gehoert das Erleiden des Kreuzes. An Maennern wie dem Bruder Bonhoeffer, meine ich, ist das abzulesen. Sein Wirken, sein Leben hatte Verkuendigungs-, Entscheidungscharakter. Wiewohl er sich selber, und ich will es auch in meiner Weise sagen, nicht als ein Musterexemplar von Maertyrer, so auf Goldgrund gemalt, sehen wollte. Er hat aus dem Geschehen des Karfreitags gelebt und aus der Erbarmung des Auferstandenen. Ich zitiere Bonhoeffer: "Es ist das Befreiende von Karfreitag und Ostern, dass die Gedanken weit ueber das persoenliche Geschick hinausgerissen werden zum letzten Sinn alles Lebens, Leidens und Geschehens ueberhaupt, und dass man grosse Hoffnung fasst."

Er hat nicht ideologisch recht haben wollen und ist nicht zum Hassen oder zur Menschenverachtung gekommen. Er schreibt: "... mit der Menschenverachtung verfallen wir gerade dem Hauptfehler unserer Gegner. Wer einen Menschen verachtet, wird niemals etwas aus ihm machen koennen. Nichts von dem, was wir im anderen verachten, ist uns selber ganz fremd. Wie oft erwarten wir von anderen mehr, als wir selbst zu leisten willig sind." Wir haben heute frueh gehoert, dass der Herr Christus anruft, auch seine Feinde zu lieben, die zu lieben, die uns hassen und in dem Ausblick, den Christus gibt am Ausgang des Mathaeus-Evangeliums und die Gemeinde hineinschauen laesst in die kommenden Zeiten, macht er darauf aufmerksam, dass der Hass sich weltweit austoben wird und sagt: "Alsdann werden sie euch ueberantworten in Truebsal und werden euch toeten. Und ihr muesst gehasst werden um meines Namens willen von allen Voelkern. Dann werden sich viele aergern", d.h. sie werden im Glauben stolpern und zu Fall kommen, "und werden sich einander verraten und werden sich untereinander hassen", aber wer ausharrt bis ans Ende, der wird gerettet. Um keinen Preis in der Welt aktiv werden im Hassen, um gar keinen Preis in der Welt aktiv werden im Hassen: Gehasst werden, erfahrener, erlittener Hass kann eine sehr schwere Last sein, und doch ist solcher Hass, wenn er ausgeloest ist durch das Zeugnis der Liebe Gottes, die allen Menschen ausnahmslos gilt, Teilhabe an dem sanften Joch, das der Herr Christus uns auferlegt. Die passio Christi ist die einzige Aktion in der ganzen Weltgeschichte, die nicht unvollendet stecken geblieben ist, sondern zur Vollendung gelangte. "Er liebte die in der Welt waren bis ins Ziel." Wir sind bei diesem Liebeslauf angefochtene Menschen und bleiben es.

Bonhoeffer erzaehlt in "Widerstand und Ergebung" von einem Gespraech mit einem jungen franzoesischen Pfarrer:

"Wir hatten uns ganz einfach die Frage gestellt, was wir mit unserem Leben eigentlich wollten. Da sagte er: 'Ich moechte ein Heiliger werden.' 'Und ich halte es fuer moeglich', fuegte er hinzu, 'dass er es geworden ist'. Trotzdem widersprach ich ihm und sagte ungefaehr: 'Ich moechte glauben lernen'. Lange Zeit habe ich die Tiefe dieses Gegensatzes nicht verstanden. Ich dachte, ich koennte glauben lernen, indem ich selbst so etwas wie ein heiliges Leben zu fuehren versuchte ... Spaeter erfuhr ich und erfahre es bis zur Stunde, dass man erst in der vollen Diesseitigkeit des Lebens glauben lernt. Wenn man voellig darauf verzichtet hat, aus sich selbst etwas zu machen - sei es einen Heiligen oder einen bekehrten Suender oder einen Kirchenmann (eine sogenannte priesterliche Gestalt!), einen Gerechten oder einen Ungerechten, einen Kranken oder einen Gesunden und dies nenne ich Diesseitigkeit, naemlich in der Fuelle der Aufgaben, Fragen, Erfolge und Misserfolge, Erfahrungen und Ratlosigkeiten leben - dann wirft man sich Gott ganz in die Arme, dann nimmt man nicht mehr die eigenen Leiden, sondern das Leiden Gottes in der Welt ernst ..." Der Herr Christus selber, ist durch Leiden vollendet worden. Die Passion Christi ist die einzige Aktion, die vollendet worden ist. Daran hat unser Bruder Bonhoeffer als Christ geglaubt.

Die bayrische Pfarrbruderschaft hat diese Tafel hier in der Kirche anbringen lassen als ein Denkmal, dass man daran denke: "Dietrich Bonhoeffer, ein Zeuge Jesu Christi unter seinen Bruedern."






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