Den Geist des 20. Juli 1944 wachhalten

Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Robert von Steinau-Steinrück

Den Geist des 20. Juli 1944 wachhalten

Ansprache des Vorsitzenden des Vorstands der „Stiftung 20. Juli 1944“ Prof. Dr. Robert von Steinau-Steinrück am 19. Juli 2010 im Berliner Rathaus

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Wolf,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

für Ihre Worte danke ich Ihnen im Namen der „Stiftung 20. Juli 1944“ sowie des „Zentralverbands demokratischer Widerstandskämpfer und Verfolgtenorganisationen“. Einer langen Tradition folgend versammeln sich die Angehörigen beider Organisationen hier im Roten Rathaus am Vorabend des 20. Juli und es ist auch schon fast ein liebgewonnener Brauch, dass Sie, lieber Herr Bürgermeister Wolf uns persönlich hier begrüßen. Auch dafür danke ich Ihnen herzlich.

Dass wir uns hier versammeln kommt nicht von ungefähr. Willy Brandt hat am 20. Juli 1958 gesagt: „Berlin war, ist und bleibt die Hauptstadt des deutschen Widerstands.“ Er hat weiter gesagt, Berlin würde etwas Wesentliches fehlen, wenn es nicht die Stätte der lebendigen Erinnerung an den 20. Juli sei und an den Widerstand gegen die braune Okkupation bliebe und wenn wir uns nicht Jahr für Jahr hier zusammenfänden. Schließlich meinte er: Berlin habe sich bemüht, den Geist des 20. Juli wachzuhalten und aus den gleichen Kraftquellen zu schöpfen, als es sich darum handelte, den neuen Herausforderungen zu begegnen und ihnen gegenüber den Anspruch auf ein würdiges und freiheitliches Leben zu verfechten.

Diesen Anspruch löst Berlin bis heute ein. Am 6. Mai diesen Jahres hat das eindrucksvolle Dokumentationszentrum „Topographie des Terrors“ geöffnet. Auf dem Gelände, an der damaligen Prinz-Albrecht-Straße befanden sich die wichtigsten Zentralen des NS-Terrors, nämlich das Geheime Staatspolizeiamt mit eigenem Gefängnis, die Reichsführung SS und auch das Reichssicherheitshauptamt. Unter den vielen Erinnerungsorten, Denkmälern und Museen nimmt die „Topographie des Terrors“ damit eine wichtige Stellung als „Ort der Täter“ ein.

Ihren Beitrag dazu, das Vermächtnis des 20. Juli und die Erinnerung an den Widerstand wach zu halten leistet auch die „Stiftung 20. Juli 1944“ mit ihren Angehörigen. Unsere Satzung sieht ein enges Zusammenwirken mit dem Land Berlin vor. Berlin gewährt uns hierfür ganz wesentliche Unterstützung. Nur durch unsere Anbindung an die Gedenkstätte Deutscher Widerstand kann die „Stiftung 20. Juli 1944“ ihren Aufgaben nachkommen. Hier schließt sich ein Kreis. Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand hat nämlich der Berliner Senat 1967 wiederum auf Anregung von Angehörigen der Widerstandskämpfer des 20. Juli errichtet. Unter den zahlreichen Aktivitäten der Gedenkstätte möchte ich beispielhaft eine aus jüngster Vergangenheit herausgreifen: Am 22. April dieses Jahres hat die Gedenkstätte in einer sehr eindrucksvollen Veranstaltung an die Mordaktionen vor 65 Jahren, zwischen dem 22. und 24. April 1945, erinnert. Zu den unmittelbar vor Kriegsende Ermordeten zählten Männer wie Klaus Bonhoeffer, Friedrich Justus Perels, Albrecht Haushofer, Karl-Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg, um nur einige zu nennen. Fast im Angesicht der Roten Armee funktionierte noch immer mit mechanischer und bürokratischer Genauigkeit das erbarmungslose Zusammenwirken von Gestapo und Justiz. Der Leiter der Gedenkstätte, Prof. Tuchel hat es im Detail beschrieben, wie die Häftlinge, sorgfältig und bürokratisch genau getrennt nach bereits „Verurteilten“ und sog. „Nichtverurteilten“ der Gestapo zur Ermordung übergeben wurden und wie diese Morde dann wiederum gesondert nach diesem Status als „Verurteilte“ und „Nichtverurteilte“ ausgeführt wurden. Morde übrigens, für die die Verantwortlichen in Gestapo und Justiz später niemals strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen wurden.

Die Betrachtung dieser Mordaktionen in ihrem unerbittlichen Detail als „pars pro toto“ für den gesamten Mordapparat des Nationalsozialismus ist vielleicht gerade aus der Distanz von heute so verstörend und so bewegend. Umso wichtiger ist es, dass Einrichtungen wie die Gedenkstätte Deutscher Widerstand uns alle immer wieder mit dem unfassbaren NS-Unrechtsstaat und dem Widerstand dagegen konfrontieren.

Hier hat auch die „Stiftung 20. Juli 1944“ mit ihren Angehörigen ihren Auftrag: Sie leistet heute vor allem „politische“ Bildungsarbeit, in den Schulen, innerhalb der Bundeswehr und im Ausland. Die Familien der Widerstandskämpfer haben durch die damalige Stiftung „Hilfswerk 20. Juli 1944“ in schwerer Zeit Unterstützung erfahren. Sie möchten etwas zurückgeben. Für und in der Stiftung haben sich zuerst die Frauen der Widerstandskämpfer engagiert, dann die Generation der Kinder. Einer aus dieser Generation der Kinder, der sich jahrzehntelang, nämlich seit 1969 eingesetzt hat und vor allem immer die Verbindung zum Berliner Senat gehalten hat, fehlt heute. Es ist Dieter Thomas, an den wir zusammen mit seiner Frau Maria und seinem Sohn denken. Dieter Thomas hat es gefreut und es war ihm wichtig, dass sich inzwischen auch viele aus der Generation der Enkel in der Stiftung engagieren. Auch 66 Jahre nach dem 20. Juli ist das Interesse etwa von Schülern an den individuellen Schicksalen der Widerstandskämpfer und ihrer Familien groß. Hier können und möchten wir Angehörige der „Stiftung 20. Juli 1944“ mit unseren Möglichkeiten einen punktuellen und bescheidenen, aber vielleicht nicht unwichtigen Beitrag leisten.

Das Land Berlin hat das immer ermöglicht und tut das weiterhin. Dafür möchte ich Ihnen, lieber Herr Bürgermeister Wolf und allen hier anwesenden Vertretern des Landes Berlin ganz herzlich danken.







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