Das moralische Erbe des Widerstandes

Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Eugen Kogon

Das moralische Erbe des Widerstandes

Gedenkrede von Prof. Dr. Eugen Kogon am 20. Juli 1973 im Herkulessaal der Residenz, München

Man weiß: Als der Plan, Adolf Hitler zu töten, auch am 15. Juli 1944 scheiterte, weil die Lagebesprechung im ostpreußischen Führerhauptquartier „Die Wolfsschanze“, wo das Attentat stattfinden sollte, plötzlich, ohne Grundangabe, abgebrochen wurde - es war nicht das erste Mal, dass der Diktator auf solche Weise der Ausführung einer Verschwörung gegen ihn entging -, drohte im Kreis derer, die sich zu der nicht neuen Absicht, die Macht des Tyrannen zu brechen, nun zusammengetan hatten, der alte Zweifel endgültig die Oberhand zu gewinnen, ob es denn wirklich richtig sei, so zu handeln, wie man es vorhatte. Musste man nicht doch aufgeben, den verderblichen Lauf der Geschichte hinnehmen? In diesem Moment war es Claus Graf Schenk von Stauffenberg, der in voller Kraft der Überzeugung auf dem Plan zum Attentat bestand: Der Welt und den Nachfahren sollte gezeigt werden, so seine Argumentation, dass es die Deutschen selber waren, die sich von der Barbarei befreiten. Abermals, kaum eine Woche später, unternahm er es daher, Hitler und seinen engsten Beraterstab in die Luft zu sprengen. Bis heute, fast schon dreißig Jahre nach dem Ereignis, ist es nicht gelungen, es zu einem unerschütterlichen Bestandteil deutschen Bewusstseins werden zu lassen, dass Stauffenberg Recht gehabt hat. Natürlich wäre das anders gewesen, wenn die tollkühne Aktion Erfolg gehabt hätte. Das Äußerste - bei dem er verlor und wir mit ihm - riskierte der entschlossene Oberst aber, von den Gleichgesinnten darin unterstützt, aus dem nationalen und moralischen Grund, den er hervorgehoben hat. Genau der ist es, mit dem wir es, indem wir der Tat und der Täter des 20. Juli 1944 gedenken, zu tun haben. Wenn Generaloberst Ludwig Beck und Dr. Karl Goerdeler dem Gedanken immer noch nachhingen, ob es denn nicht doch möglich sein sollte, ein Regiment der Wehrmacht unter einem gesinnungsverwandten Kommandeur gegen die „Wolfsschanze“ in Marsch zu setzen, um Hitler nicht zu töten, sondern gefangen zu nehmen, damit das deutsche Volk durch volle Offenlegung der begangenen Verbrechen vor einem Gerichtshof Bescheid über das nationalsozialistische Regime erhielte, so war die Motivation dieser Überlegung, die Stauffenberg im Übrigen nach den mit einem solchen Versuch bereits gemachten Erfahrungen als gänzlich unausführbar ansah, nicht nur der politische Wunsch, von vornherein einer Legendenbildung vorzubeugen, die sich an die Tötung Hitlers knüpfen konnte, sondern wiederum - und auch dies im Kreis der Verschwörer ausgesprochen - die moralische Erwägung, die Befreiung und der staatliche Neubeginn sollten wenn möglich nicht durch einen Mord belastet werden. Welch ein Gewissen, das sich da gegen den Mörder en gros erhob!

Über den Tatbestand und die Zusammenhänge hat mein Freund Walter Dirks einmal, 1956 bereits, geschrieben: „Die Männer des Widerstandes wendeten die wahre Idee des realen Vaterlandes kritisch und schließlich im Akt der Rebellion sogar feindlich gegen eine überkommene und von den Usurpatoren beanspruchte Idee des Vaterlandes, die keine Legitimation des praktizierten Unheils sein konnte. Wenn Verbindungen mit dem Kriegsgegner aufgenommen wurden, so war es das Vaterland selbst, das eigentliche, unterdrückte Vaterland, das bei anderen Vaterländern Hilfe suchte, in einer Solidarität der Vaterländer, die viel realer und geschichtlich legitimer war als der Krieg, ja die in dieser Stunde allein legitim war. - Von einer idealistischen Auffassung des Vaterlandes aus ließen sich diese Gedanken nicht vollziehen: wer die Idee des Vaterlandes von den konkreten Menschen trennt, deren geschichtliche Integration sie ausspricht, wird im Konfliktfall immer wieder die Idee gegen die Menschen ausspielen, wie Robespierre die Idee des Volkes gegen das Volk ausspielte - so sehr, daß er um der Idee des Volkes willen das wirkliche Volk zu köpfen begann. Der Nationalist dieser Art wird in seinem Idealismus die Menschen opfern, und er wird eben dadurch auch aus der Geschichte herausfallen. Er wird aus der Geschichte heraus in eine mörderische Abstraktion geraten. Es war diese Abstraktion, von der sich auch die gutwilligen Gehorsamen nicht lösen konnten. Es war diese Abstraktion, welche die Männer und Frauen des Widerstandes in sich überwinden mußten, um frei für den aktiven Widerstand zu werden.“ Die Jüngeren in unseren Tagen, voran die Linken, kümmert das alles, soweit ich sehe, überhaupt nicht. Eid und Vaterland - was soll das? Bürgerliches und aristokratisches Pathos aus vergangener Zeit. Ihr Einwand ist ein ganz anderer: Sie stimmen mit Stauffenberg überein, dass die Deutschen selbst den Mut aufzubringen hatten, der faschistischen Diktatur zu begegnen und die Gewalt, der sie sich ausgeliefert hatten, von sich und den unterdrückten Völkern abzuschütteln, - aber wo blieb die Leistung? Haben wir Grund, alljährlich eine Niederlage zu feiern, die schließlich und endlich selbst verschuldet war? Die Verschwörungen seien verspätet und schlecht geplant gewesen. Nie im Übrigen hätte man es, meinen sie, so weit kommen lassen dürfen und tatsächlich kommen zu lassen brauchen, dass Aktionen wie der letzte Versuch erforderlich wurden. Doch konnte von rechtzeitigem und wirksamem Widerstand im deutschen Volk eben keine Rede sein. Wer ihn behauptet, gehe mit einer Legende hausieren. Für das, was heute in der Welt zu geschehen habe, gebe es bessere Vorbilder.

Die so denken und sich gelegentlich so äußern, verächtlich unter der Hand, scheinen mir die Verhältnisse, die zu einer eigennationalen Diktatur führen und die diese dann ihrerseits schafft, sehr zu verkennen. Der von außen her auferlegte, fremdnationale Terror, vor allem während eines Krieges, kann damit in keiner Weise verglichen werden, so dass es zulässig wäre, das deutsche Volk, was den möglichen und den tatsächlich zustande gebrachten Widerstand betrifft, mit den gleichen Maßstäben zu messen wie die unter die nationalsozialistische Herrschaft geratenen Völker von damals ringsum. Da musste man zwar jederzeit auch mit Verrat rechnen, aber man konnte, man durfte viel mehr noch die hilfreichste Solidarität erwarten, wenn es darum ging, dem Widerstand Mittel zu beschaffen und nach erfolgten Aktionen oder bei sozusagen normaler Gefährdung sich der Geheimen Staatspolizei, der Feldpolizei, den Spezialkommandos zu entziehen. In Deutschland war das prinzipiell anders. Eine merkwürdige Paradoxie erschwerte die Opposition gegen das Regime, die vielmaschigen Kontrollen durch die Gestapo und die mannigfachen Parteiorganisationen einmal ganz beiseite gelassen.

Widerstand sofort zu Beginn, in der ersten Zeit nach dem Machtwechsel, ehe die Gleichschaltungen erfolgt und wirksam geworden waren, hätte verhältnismäßig leicht und selbstverständlich sein müssen, besonders innerhalb der Beamtenapparaturen. Aber dem standen die frischen Erfahrungen mit den Schwächen, den Fehlern, den Unterlassungen der Weimarer Demokratie entgegen, das tiefsitzende deutsche Ordnungsverlangen, das Gewaltanwendung, die man natürlich nur für vorübergehend hielt, als durchaus gerechtfertigt ansah, - massives Unrecht in Deutschland, von Seiten der Obrigkeit, als System und auf Dauer - unmöglich! Und hatten die Hauptzielsetzungen der Nationalsozialisten, ihre ersten Verwirklichungsmaßnahmen nicht den angekündigten „positiven Charakter“: die anlaufende Arbeitsbeschaffung, die Überwindung der Interessenzersplitterung und des Klassenkampfes, die Herstellung der nationalen Einheit und Gleichberechtigung, die Beendigung einer Erfüllungspolitik, die Reparationen für mehr als ein halbes Jahrhundert vorsah - erst in elf Jahren von heute an, 1984, wären beispielsweise die im Young-Plan vereinbarten Zahlungen zu Ende gegangen ... -, der Beginn einer „Friedenspolitik gemäßigter Stärke und vernünftiger Revisionen“, wie es den Anschein hatte, für das gesellschaftliche Leben und insbesondere die Jugend eine „gesunde Moral“ gegen den „internationalen Libertinismus der Dekadenz“ - und so weiter und so fort: bei doch reparablen Verletzungen der Legalität somit kein radikaler Stoß gegen die Legitimität, sondern im Gegenteil deren Wiederherstellung und Erfüllung!

Mit ihren innen- und vor allem außenpolitischen Erfolgen verfestigte sich die Gewaltherrschaft unter fortwährender Täuschung der heimischen und der internationalen Öffentlichkeit rasch so sehr, dass es immer schwieriger, bald völlig unmöglich wurde, von den Einflusspositionen aus, die, der NSDAP unkontrollierbar, spärlich verblieben, noch Widerstand im Großen und aufs Ganze zielend zu organisieren. Das konnte schließlich nur mehr zuwege gebracht werden, wenn man, wie Werner von Trott zu Solz, überlebender Angehöriger der Widerstandsfamilie, es bezeichnet hat, selber „die Uniform des Feindes“ trug. Man begegnete „mit äußerstem Misstrauen“, schrieb er Walter Dirks und mir 1958, „jenen Männern, die danach trachteten, führende Positionen in der feindlichen Apparatur in die Hand zu bekommen, um von dort aus das System aus den Angeln zu heben. Man bemäkelte ihre moralische Integrität, die sie opfern mußten, weil sie sich für das Ganze verantwortlich fühlten, weil eine Vermenschlichung dieses Zwangssystems und der Sturz seiner Führung nur dadurch möglich war, daß sie Anweisungen gaben und befolgten, die ihnen gegen die Ehre gingen. Sie sahen keine Möglichkeit für sich, ihre Verantwortung für ihr Volk wie eine Bürde abzuwerfen und in eine saubere Privatexistenz zu fliehen.“

Schade, dass wir es in der Bundesrepublik nicht zu einem nationalen Feiertag gebracht haben, der als allen sympathisch, von allen begrüßt und angenommen worden wäre; der für jedermann, ob einsichtig oder nicht, erkennbare, spürbare Symbolkraft besessen hätte: der 8. Mai beispielsweise - Tag, an dem 1945 Krieg und Nationalsozialismus vorüber waren, die Friedenszeit für uns begann, die seither angehalten hat ohne dass, Gott sei Dank, ihr Ende abgesehen werden müsste, im Gegenteil. Würde, wie die Franzosen es an ihrem 14. Juli tun, am 8. Mai bei uns auf den Straßen und Plätzen der Republik getanzt, wer dächte da an die Niederlage, - und wenn, so war sie der Beginn der Befreiung! Vier Jahre später hat am gleichen 8. Mai der Parlamentarische Rat unser Grundgesetz verabschiedet, - heute wissen das nur einige wenige Offizielle. Das Gedenken des 20. Juli, an dem auf so tragisch ausgelaufene Weise ebenfalls die Freiheit gemeint war, hätte, wäre es zu jenem Festtag gekommen, in die Freude sogar mit eingehen dürfen. Das Vergnügen der völlig Unpolitischen aber - die alten Griechen haben sei „idiotai“ genannt - über den Gewinn eines zusätzlich bezahlten arbeitsfreien Tages, ein Vergnügen, das sie stattdessen jetzt an jedem 17. Juni empfinden, hätte Niemanden gestört.

Es gibt Kreise, die sich den nicht völlig eindeutigen, den national und sozial noch einigermaßen unausgegorenen Zustand der Bundesrepublik Deutschland zunutze zu machen versuchen, die Entwicklung, falls sich die Gelegenheit ergeben könnte, in eine andere Richtung zu treiben als sie dem Geist des Widerstandes gegen Unrecht und Ausbeutung und Barbarei entspricht, - Kreise, die weder an der Humanität noch an der Demokratie interessiert sind; die in der sozialdarwinistischen Ideologie vom Menschen, von der Herrschaft und von der Geschichte denken; die in „Recht und Ordnung“, wie sie sie auffassen, innenpolitisch und außenpolitisch die Festigung von angeblichen „Natur“-Privilegien sehen. Diese Kreise, international in Kontakt, möchten was war in ihrer Sicht erscheinen lassen, so dass die nazistischen Akteure von damals nicht das gewesen wären, als man sie seit Jahr und Tag hinstelle, hingegen „die Hochverräter des Widerstandes“ die wahren Wegbereiter des nachfolgenden Unheils. Worauf es jetzt ankomme, das sei, allmählich die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich „die gesunden und starken Kräfte“ in der Welt, an denen es ja vor allem in zahlreichen Ländern der notwendigen autoritären Regime nicht fehle, wieder zusammenfänden, um einer unheilvollen Entwicklung, die sich vielerorten abzeichne, entgegenzuwirken.

Im vorigen Jahrzehnt, zwanzig Jahre nach dem Ende des faschistischen Aufstandes, der den Zweiten Weltkrieg zur Folge gehabt hat, trat die Tendenz bereits offen hervor, die geschichtlichen Zusammenhänge anders darzustellen, als die meisten von uns sie haben erleben müssen. Zeitgeschichte ist freilich nie schon so abgeklärt, dass keinerlei Ereignis mehr nach Ursache und Bedeutung unstreitbar wäre, - es lassen sich von Zeit zu Zeit da und dort immer Mängel, Irrtümer im Einzelnen, Falschberichte und Fehlinterpretationen, gelegentlich auch politisch beabsichtigte Entstellungen nachweisen; ihre Aufklärung und Widerlegung gehört zum normalen Geschäft der Wissenschaft. Gutwillige, gegenüber den Kampfströmungen der Großinteressen aber unerfahrene, darin naive Gelehrte - von den nicht naiven, sondern ihrerseits voreingenommenen abgesehen - meinen dann zuweilen, aus Gründen der Objektivität prinzipiell gewisse Gegengewichte setzen zu sollen. Die erwähnten Kräfte, denen nachhaltig an der Verbreitung und Durchsetzung ihres Geschichtsbildes liegt, benutzen solche Korrekturen zum propagandistischen Zweifel, wenn dies und jenes nicht stimme, ob denn dann die Gewähr der Richtigkeit überhaupt gegeben sei. Früh hat Golo Mann daher die seriöse Geschichtsforschung auf das Erfordernis hingewiesen, mit systematischen Arbeiten, insbesondere über die Zeitabschnitte und Ereignisse, in denen die richtunggebenden Entscheidungen gefallen sind, der Politik der Aufklärung und des humanen Fortschritts an die Seite zu treten. Allzu merkwürdig wäre es, dass hinter allem, was in den zwölf Jahren nationalsozialistischer Herrschaft geschah, nicht Absicht noch Plan gestanden haben sollte. Mit historischer Notwendigkeit hätten sich die großen Konflikte, so wurde ja behauptet, ergeben: es sei nicht angebracht, da von besonderen und sozusagen teuflischen Manövern zu sprechen, denen man Widerstand entgegenzusetzen gehabt hätte; von Schuld zu schweigen, es sei denn die, im gigantischen Kampf, den das deutsche Volk am Ende zu bestehen hatte, versagt zu haben. Ein Programm des Totalitarismus und der gewaltsamen Expansion habe es nicht gegeben; was vom Terror des Regimes gegen seine Widersacher berichtet werde, sei zumindest übertrieben, im Übrigen der Härte der Auseinandersetzungen zuzuschreiben, die unvermeidlich gewesen seien, besonders während des Krieges.

Es waren der luxemburgische Parlamentspräsident Pierre Grégoire, Christlicher Demokrat, Willy Brandt, damals noch Außenminister der Großen Koalition, und André Malraux, unter de Gaulle Minister für die kulturellen Angelegenheiten der Französischen Republik, die im Januar 1968 an die Historiker und die Publizistik einen Aufruf richteten, sich der Erforschung und Darstellung aller Hauptursachen und Folgen des Zweiten Weltkrieges zuzuwenden. Dazu gehörte in erster Linie selbstverständlich die Rolle, die der Nationalsozialismus gespielt hat.

Der Appell fand weltweiten Widerhall. - Ich muss hier einfügen, dass seit Kriegsende bis heute aus einer ganzen Reihe von Gründen vor allem die Probleme des Widerstandes in jedem Lande Europas unvergleichlich mehr beachtet werden als bei uns. - Unter der Ehrenpräsidentschaft der Genannten kam es in Luxemburg zur Gründung eines Europäischen Komitees und Studienzentrums, dem sich eine beachtliche Zahl international angesehener Wissenschaftler zur Verfügung stellte. Als erste Aufgabe der Zusammenarbeit wurde festgesetzt, der Öffentlichkeit die auf der politischen Karte der nationalsozialistischen Machtergreifung, Machtfestigung und anschließenden Expansion noch nicht voll oder noch nicht voll befriedigend aufgeklärten Zusammenhänge in fachwissenschaftlich fundierten, für das breite Publikum aber verstehbaren Einzelabhandlungen darzustellen. Auf einer ersten beratenden Zusammenkunft im April 1969 wurde für die beabsichtigte Serie der Untersuchungen die aus der Erfahrung selbst abgeleitete Generalhypothese akzeptiert, dass man es in jedem der ins Auge gefassten Fälle mit nationalsozialistischen Maßnahmen zu tun hat, die der Absicht gedient haben, jeweils vor einschneidenden Gewaltunternehmungen das deutsche Volk und die Weltöffentlichkeit so gründlich und umfassend wie möglich über die wahren Ziele und die Art der anzuwendenden Mittel zu täuschen. Der Zusammenhang mit der Problematik des Widerstandes liegt auf der Hand.

Dies sind die Themen, die Themen, die in Angriff genommen wurden: Der Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933; das Massaker vom 30. Juni 1934; die Fritsch-Blomberg-Affäre vom 4. Februar 1938; die sogenannte Kristallnacht vom 8. November 1938 im Gefolge des Pariser Grünspan-Attentats; der am 31. August 1939 fingierte Überfall auf den deutschen Sender Gleiwitz; das sogenannte Bürgerbräu-Attentat vom 8. November 1939; außerdem eine gedrängte Darstellung von KZ-Prozessen sowie eine Gesamtanalyse der Planungen Hitlers.

Das Komitee steht mit einer Reihe von Institutionen und Gelehrten in Verbindung, die an der gleichen umfassenden Thematik arbeiten oder interessiert sind. Es wird im Mai 1975 zusammen mit den Wissenschaftlichen Akademien mehrerer Länder, an erster Stelle mit der Akademie der Wissenschaften Jugoslawiens, dort zum 30. Jahrestag des europäischen Weltkriegsendes einen internationalen Kongress veranstalten, der die bis dahin vorliegenden Ergebnisse der gesamten Forschungszusammenarbeit der Weltöffentlichkeit unterbreiten wird.

Ich erwähne dies alles, um in dieser Gedenkstunde des 20. Juli 1973 zu zeigen, dass es um die Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus dem moralischen Erbe des Widerstandes von 1944 sowie schon der Jahre vorher ergeben, wenigstens was die Erforschung der Wahrheit betrifft, doch einigermaßen besser bestellt ist, als es zuweilen den Anschein hat.

Manche Entwicklung, mit der wir es zu tun haben, ist unerquicklich, und mancherlei nicht immer leicht zu beseitigende Schwierigkeiten blockieren an der oder jener Stelle den Weg der Demokratie, wie viele von uns sie meinen. Aber was ist das schon, für den Bestand und die Verbesserung der Bedingungen unseres Menschseins in Zeiten der Sicherheit und des Wohlstandes zu arbeiten, verglichen mit dem, was die Männer und Frauen des 20. Juli 1944 geopfert haben, um die Freiheit der Entwicklung aus dem mörderischen Griff der Diktatur jener Zeit zurückzuerlangen, - für uns alle zurückzuerlangen.






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